Verfassungsbeschwerde unzulässig – Ministerin Löhrmann: Verfassungsgerichtshof hat Linie der Landesregierung bestätigt
Klage von Gemeinden gegen das Erste Gesetz zur Umsetzung der Inklusion
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde von 52 Gemeinden gegen das Erste Gesetz zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) unzulässig ist.
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde von 52 Gemeinden gegen das Erste Gesetz zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) unzulässig ist. Schulministerin Sylvia Löhrmann begrüßte die Entscheidung: „Der Verfassungsgerichtshof hat heute die Linie der Landesregierung bestätigt. Er stellt damit fest, dass das Land durch das Erste Gesetz zur Umsetzung der Inklusion die Selbstverwaltung und Verantwortung der Kommunen nicht beschnitten hat.“
Ministerin Löhrmann fuhr fort: „Interessant aus der Begründung des Gerichtes ist der Hinweis, dass ein Belastungsausgleich nicht schon bei der Verabschiedung des Gesetzes erfolgen muss, sondern erst bei Inkrafttreten. Genau das hat die Landesseite getan. Angesichts der Komplexität der Gestaltung der schulischen Inklusion im Zusammenspiel von Bundes- und Landesrecht war zum Zeitpunkt der Verabschiedung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes, auch mangels vorhandener Daten aus den Kommunen, eine seriöse Kostenabschätzung nicht leistbar.“
Das Gericht ist mit seiner Entscheidung den Argumenten von Landesregierung und Landtag gefolgt. Diese hatten bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof am 13. Dezember 2016 bemängelt, dass die klagenden Kommunen ihre Behauptungen zur Kostenbelastung nicht mit verlässlichen Angaben untermauert hätten. Außerdem hätten die Gemeinden sich gegen das Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion (Leistungsgesetz) wenden müssen: Das 9. Schulrechtsänderungsgesetz hätte die klagenden Gemeinden gar nicht in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzen können, weil der von ihnen geforderte finanzielle Ausgleich für die Kosten der Inklusion nicht dort, sondern im rechtzeitig erlassenen Leistungsgesetz geregelt und der Höhe nach ausreichend sei.
Ministerin Löhrmann appellierte an die Kommunen, ihren Teil an der Verantwortung für das Gemeinsame Lernen von Kindern und Jugendlichen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung auch weiterhin beizutragen. Die Ministerin betonte: „Durch das 9. Schulrechtsänderungsgesetz wurde das Recht für jedes Kind auf einen Schulplatz an einer allgemeinen Schule im Landesrecht verankert. Das Land ist damit der Verpflichtung nachgekommen, die UN-Behindertenrechtskonvention weiter umzusetzen – einer Verpflichtung, an die auch die Städte und Gemeinden gebunden sind. Hierbei unterstützt das Land die Kommunen finanziell über das Leistungsgesetz zur Förderung der schulischen Inklusion. Die Summen werden jährlich evaluiert und gegebenenfalls angepasst. Das Land ist ein fairer Partner der Gemeinden.“
Zum Hintergrund:
Das 9. Schulrechtsänderungsgesetz vom 5. November 2013 verpflichtet die Schulaufsicht, den Eltern von Kindern mit festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung mit Zustimmung des Schulträgers mindestens eine allgemeine Schule als Ort des Gemeinsamen Lernens vorzuschlagen. Die Eltern können abweichend hiervon die Förderschule wählen. Ihnen steht in Nordrhein-Westfalen ein solches Förderschulangebot an mehr als 700 Standorten zur Verfügung.Im Schuljahr 2015/2016 haben sich in der Primarstufe die Eltern in 41,3 Prozent der Fälle für das Gemeinsame Lernen entschieden, in der Sekundarstufe I in 36 Prozent. Damit sind innerhalb von fünf Jahren die so genannten Inklusionsanteile in der Primarstufe um rund 13 Prozentpunkte (2011/12: 28,5 Prozentpunkte), in der Sekundarstufe I um 22 Prozentpunkte (2011/12: 14 Prozentpunkte) gestiegen.
Das 9. Schulrechtsänderungsgesetz ist am 1. August 2014 in Kraft getreten, am gleichen Tag wie das Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion vom 9. Juli 2014. Danach leistet das Land den Trägern der öffentlichen Schulen einen Belastungsausgleich für die Sachkosten, die infolge der Inklusion entstehen. Der allergrößte Anteil davon entfällt auf bauliche Investitionen wie Rampen, Aufzüge und zusätzliche Räume in Schulen. Der Belastungsausgleich im Schuljahr 2016/2017 beträgt 20 Millionen Euro.
Als weitere Leistung erhalten die Gemeinden und Kreise im laufenden Schuljahr 20 Millionen Euro als Inklusionspauschale. Diese unterstützt die Schulen beim Einsatz von nicht lehrendem Personal. Der Einsatz dieser „Helfenden Hände“ (zum Beispiel von Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern, Erzieherinnen und Erziehern, Schulpsychologinnen und -psychologen, Zivildienstleistenden und Bundesfreiwilligendienstleistenden) soll dazu beitragen, dem Kostenanstieg bei den bundesrechtlich (in den Sozialgesetzbüchern VIII und XII) geregelten Integrationshilfen zu begegnen. In den letzten Jahren ist in Förderschulen wie in allgemeinen Schulen die Zahl der Schülerinnen und Schüler gestiegen, die eine Schulbegleiterin oder einen Schulbegleiter brauchen, um am Unterricht teilnehmen zu können. Die Landesregierung beobachtet diesen Zuwachs mit Sorge. Sie begrüßt deshalb, dass das neue Bundesteilhabegesetz das so genannte Pooling auf eine rechtliche Grundlage stellt. Hierbei können mehrere Kinder bei der Teilnahme am Schulunterricht von derselben Person betreut werden, soweit ihre Behinderung dies zulässt.
Die Höhe der Leistungen des Landes – insgesamt 40 Millionen Euro in diesem Schuljahr als Belastungsausgleich und Inklusionspauschale – wird von unabhängigen Gutachtern regelmäßig überprüft und bei Bedarf in Absprache zwischen Kommunen und Land angepasst.