Ministerin Steffens: Starke Vorbilder brauchen keine genormten Körpermaße – Fragwürdigen Schönheitstrends vielfältige Alternativen entgegensetzen

5. März 2017

Inszenierte Schönheitsideale in den Medien, insbesondere in Fernsehen und sozialen Netzwerken, können Menschen in ihrem Selbstwertgefühl so stark beeinflussen, dass seelische und körperliche Schäden die Folge sind. Durch die noch immer vorhandenen Rollenzuschreibungen sind Frauen nach wie vor stärker betroffen als Männer. Der Einfluss auf die seelische Gesundheit vor allem von jungen Frauen ist schwer zu erfassen. Ein Indikator ist, dass allein in Nordrhein-Westfalen rund 400.000 Menschen an Essstörungen leiden, die durch medial propagierte Körperideale mitverursacht sein können.

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Inszenierte Schönheitsideale in den Medien, insbesondere in Fernsehen und sozialen Netzwerken, können Menschen in ihrem Selbstwertgefühl so stark beeinflussen, dass seelische und körperliche Schäden die Folge sind. Durch die noch immer vorhandenen Rollenzuschreibungen sind Frauen nach wie vor stärker betroffen als Männer. Der Einfluss auf die seelische Gesundheit vor allem von jungen Frauen ist schwer zu erfassen. Ein Indikator ist, dass allein in Nordrhein-Westfalen rund 400.000 Menschen an Essstörungen leiden, die durch medial propagierte Körperideale mitverursacht sein können.
 
„Starke Vorbilder pfeifen auf genormte Körpermaße“, erklärte Emanzipationsministerin Barbara Steffens in Köln zur Eröffnung der Veranstaltung „#body*talk – Rollenbilder, Schönheitsdiktate und Empowerment im Netz“, zu der das Ministerium im Vorfeld des Internationalen Frauentages (8. März) eingeladen hatte. „Das Diktat, was schön zu gelten hat und was nicht, übt besonders auf Mädchen und junge Frauen starken Druck aus. Dieser wird durch die Verbreitung im Internet und über soziale Netzwerke verstärkt. Wir wollen  auch diese Veranstaltung nutzen, um dem Korsett der Erwartungen vielfältige und alternative Körpervorbilder entgegenzusetzen“, so Steffens weiter. „Nur wer sich in seinem Körper wohlfühlt, ist stark!“, betonte die Ministerin.
 
Schönheitswettbewerbe, bei denen die Kriterien in Extreme gesteigert sind – die Taille muss schmaler sein als ein Standard-Papierblatt
(„DIN-A4-Challenge“), oder das Schlüsselbein hat stark hervorzutreten („Collarbone Challenge“) – finden weltweit Aufmerksamkeit. Zudem verschwimmen im Internet durch Fotomontagen, manipulierte Vorher-Nachher-Bilder und gefälschte Informationen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Die Folgen dieser verfälschten Realitäten können vom mangelnden Selbstwertgefühl über depressive Verstimmungen bis zu lebensbedrohlichen Essstörungen reichen. Eine aktuelle Studie (siehe Hintergrund) gibt Hinweise auf einen solchen Zusammenhang.
 
Zugleich entwickeln sich in der digitalen Welt (Gegen-) Strömungen wie die Body-Positive-Bewegung, die für die Akzeptanz vielfältiger Körperlichkeiten steht. Unter Hashtags wie #bodypositive, auf Blogs und bei Kunstaktionen präsentieren sich selbstbewusste Frauen, die gängige Schönheitsideale kritisch hinterfragen. So sind etwa der Webvideo-Serie mit dem Titel „roleUP“ Kurzporträts von jungen Frauen zu finden, die äußerlich nicht unbedingt der Norm entsprechen, sich in ihrem Körper wohlfühlen und mit ihrer Persönlichkeit überzeugen und begeistern – sei es aufgrund spannender Berufe, außergewöhnlicher Lebensentwürfe oder besonderem gesellschaftlichen Engagement.
 
Als eine Vertreterin der Body-Positive-Bewegung trat bei der Veranstaltung in Köln die Bloggerin Magda Albrecht (u.a. Gemeinschaftsblog „Mädchenmannschaft“) auf. „Abnehmen und Schlanksein sind in unserer Gesellschaft wichtiger als seelische Gesundheit und körperliches Wohlbefinden. In den Medien werden überwiegend heterosexuelle, schlanke, normschöne, weiße Menschen ohne Behinderungen dargestellt. Das entspricht nicht der Realität und schließt viele Menschen aus“, sagte Albrecht.
 
Ebenfalls als Referentin mit dabei war Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin, Journalistin  und Buchautorin (u.a. „Vulva – Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts“).  „Das Netz ist aber nicht nur Ort für Diskriminierung, sondern auch für Solidarität und Wissenstransfer und damit des Empowerments“, sagte Dr. Sanyal.
 
Ministerin Steffens rief dazu auf, die Möglichkeiten des Netzes stärker zu nutzen: „Wir können Frauen und Mädchen durch das Internet in ihrer Individualität und Vielfalt bestärken sowie die kritische Reflektion von Körperidealen und Rollenbildern unterstützen.“
 
Interessierte können sich über den Twitter-Account @gleichimnetzNRW (#bodytalk) und auf der Webseite www.gleichstellungimnetz.nrw über Verlauf der Veranstaltung informieren.

Hintergrund

Studie: „Warum seh´ ich nicht so aus? Fernsehen im Kontext von Essstörungen“ (2016), Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) und ANAD e. V. Versorgungszentrum Essstörungen, München. Download unter www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/publikation/Fernsehen_Essstoerungen/Warum_seh_ich_nicht_so_aus.pdf
 
Essstörungen
  • Nach Schätzungen von Expertinnen und Experten leiden rund 400.000 Menschen in NRW an einer Essstörung, davon ca.100.000 an Anorexia Nervosa (Magersucht)
  • 90 bis 95 Prozent der Betroffenen sind Frauen
  • Erkrankungen beginnen meist im Alter zwischen 15 und 24 Jahren
  • Insbesondere bei Anorexia Nervosa (Magersucht) kommt es zu lebensbedrohlichen Krisen, die Sterberate liegt bei ca. 5 bis 10 Prozent
  • Das Land erarbeitet aktuell ein Handlungskonzept zu Essstörungen und fördert mit rund 132.000 Euro pro Jahr die Landesfachstelle Essstörung, deren Aufgabe u.a. in der Konzeptentwicklung und Beratung von Einrichtungen und Trägern zur Weiterentwicklung von Präventions- und Hilfeangeboten liegt
  • Das Land fördert mit 4,6 Mio. Euro 58 allgemeine Frauenberatungsstellen, die Betroffenen Beratung und Hilfe zu Essstörungen anbieten.
 
Gleichstellung in der digitalen Gesellschaft
Digitalisierung ist eines der Kernthemen der Landesregierung. Deshalb ist – eingebettet in die Open.NRW-Strategie des Landes – die „Gleichstellung in der digitalen Gesellschaft“ unter Einbezug der Frauen-infrastruktur NRW auch 2017 ein Schwerpunktthema des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter.
 

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