„Regulation overload” – Große Podiumsdiskussion zur Frage von Überregulierung für Unternehmen

15. März 2024
Benjamin Limbach

Im Rahmen des NRW-USA-Jahres 2023/2024 unter dem Motto „a perfect match“ diskutierten am Donnerstag, 14. März 2024 Vertreter der Industrie, des Unternehmerverbandes NRW, der Europäischen Kommission und der international tätigen Rechtsanwälte zu der Frage, ob die Normenvielfalt in Deutschland und der Europäischen Union für Unternehmen im internationalen Wettbewerb noch zu bewältigen ist.

Justiz

Im Rahmen des NRW-USA-Jahres 2023/2024 unter dem Motto „a perfect match“ diskutierten am Donnerstag, 14. März 2024 Vertreter der Industrie, des Unternehmerverbandes NRW, der Europäischen Kommission und der international tätigen Rechtsanwälte zu der Frage, ob die Normenvielfalt in Deutschland und der Europäischen Union für Unternehmen im internationalen Wettbewerb noch zu bewältigen ist.

Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Benjamin Limbach stellte fest: „Wichtig ist, dass der Staat, die Unternehmen und die Menschen sich in der Gesetzgebung als Partner begreifen. In einer global vernetzten Wirtschaft ist die Gesetzgebung in Deutschland und der Europäischen Union auch ein Mittel, um unsere Werte bei unseren Handelspartnern hochzuhalten, nämlich die Eindämmung und Bewältigung des Klimawandels, den Schutz der Menschenrechte, die Aufrechterhaltung und Verbreitung unserer Sozial- und Arbeitsstandards und die Durchsetzung von Sanktionen gegen die russischen Aggressionen. Aber wir müssen uns auf die wirklich notwendigen Regelungen beschränken, die Unternehmen umsetzen können und der Staat kontrollieren kann.“

US-Generalkonsulin für Nordrhein-Westfalen Pauline Kao betonte die Notwendigkeit von Planungssicherheit für Unternehmen, die in der Rechtsetzung der USA, der Europäischen Union und in Deutschland im Blick behalten werden müsse. Gemeinsames Ziel in diesen Beziehungen seien Sicherheit, Wohlstand und freiheitliche Werte. Während es in den USA sicher Bereiche mit zu wenig Regelungen gebe, etwa beim Einsatz von KI oder der Nutzung von Social Media, gebe es in der EU und Deutschland aber auch Bereiche mit zu vielen Regelungen. Entscheidend sei die Kompromissbereitschaft, die mit dem Ziel eines „perfect match“ den Weg zu mehr Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ebne.

In der anschließenden Diskussion unter Moderation von Prof. Dr. Anne Sanders (Universität Bielefeld) warb Dr. Christian Mahlmann (Evonik Industries AG) für mehr Vertrauen der Politik in die Wirtschaft. Die Geschwindig­keit der Gesetzgebung erfordere erhebliche Kraftanstrengungen in den Unternehmen. Grundsätzliche bestehe die Bereitschaft als notwendig erkannte Gesetze umzusetzen. Allein das „wie“ der Umsetzung mit ständig neuen Berichtspflichten und damit einhergehendem Bürokratieaufbau laste schwer auf den Unternehmen.

Johannes Pöttering, unternehmer nrw, stellte heraus, dass ein starker, funktionierender Rechtsstaat die Grundlage unternehmerischer Tätigkeit sei. Allerdings belaste die Vielzahl der neuesten Regulierungen im Bereich Klima- und Arbeitsschutz den Mittelstand erheblich. An der Umsetzung, den Berichts- und Compliance-Anforderungen tragen die Mittelständler auch persönlich schwer, unabhängig von den höheren Fixkosten.

Aus der Perspektive der US-Beratungspraxis schilderte Manny Schönhuber (Jackson Walker LLP, Texas), dass gerade in den vergangenen Jahren vermehrt mittelständische Unternehmen aus Deutschland und Europa sich in den Bundesstaaten Texas, Arizona und Florida niederließen, auch um neben den hohen Energie­kosten den als zu streng empfundenen Regulierungen in der EU auszuweichen. In den US-Bundesstaaten herrsche eine unternehmens­freundliche Grundeinstellung, die von Anreizen („incentives“) an die Unternehmen ausgehe und weniger Verbote („restrictions“) setze. Ein Beispiel sei der Inflation Reduction Act, der Anreize und Zielvorgaben und nicht Gebote oder Verbote für Unternehmen nenne.

Für die Europäische Kommission signalisierte Paul Nemitz (Hauptberater für Strategien für den Digitalen Wandel in der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission) grundlegend, dass die Funktionsfähigkeit der Demokratie aufrechterhalten werden müsse. Die Kommission leite Regulierungsvorhaben nur nach umfassenden Konsultationen ein, die Wirkung von Berichtspflichten werde gezielt ermittelt, um Bürokratie für Unternehmen zu reduzieren. Bei jeder EU-Regulierung sei die Kompromissbereitschaft aller Beteiligten ein guter Weg.

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