Landesregierung ermöglicht Kostenübernahme der Vertraulichen Spurensicherung nach Gewalttaten
Von Gewalt betroffene Personen sehen sich nicht immer in der Lage, die erlebte Tat unmittelbar anzuzeigen. In diesen Fällen kann die sogenannte Vertrauliche Spurensicherung sicherstellen, dass Beweise auch bei späterer Anzeige nicht verloren gehen.
Von Gewalt betroffene Personen sehen sich nicht immer in der Lage, die erlebte Tat unmittelbar anzuzeigen. In diesen Fällen kann die sogenannte Vertrauliche Spurensicherung sicherstellen, dass Beweise auch bei späterer Anzeige nicht verloren gehen. Zur Vertraulichen Spurensicherung gehören die Dokumentation von Verletzungen sowie die Sicherung von Tatspuren am Körper von Betroffenen. Die gerichtsfest dokumentierten Befunde und Tatspuren stehen damit in einem späteren Strafverfahren als Beweismittel zur Verfügung. Zukünftig erstatten die Gesetzlichen Krankenkassen den Kliniken die Kosten für die vertrauliche Spurensicherung, was Betroffene von Gewalttaten stärkt.
Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die neuen Regelungen gemeinsam mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in den vergangenen drei Jahren federführend verhandelt. Beteiligt an den intensiven und konstruktiven Verhandlungen waren zudem Vertretungen der Gesetzlichen Krankenversicherungen, der Institute für Rechtsmedizin, der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen sowie der Landesverband der autonomen Frauenberatungsstellen NRW e.V.. Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen ist das fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V).
Gleichstellungsministerin Josefine Paul: „Die Gewalt an Mädchen und Frauen ist in allen Deliktsbereichen laut dem aktuellen Lagebild des Bundes gestiegen. Häufig sind von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen nach einer Gewalthandlung nicht in der Lage, die Tat anzuzeigen. Mit dem Vertrag tragen wir dazu bei, dass Opfer von Gewalt sich für eine Anzeige die Zeit nehmen können, die sie benötigen, um körperliche Verletzungen auszukurieren und sich psychisch zu stabilisieren. Die vertrauliche Spurensicherung hat damit nicht nur aus forensischer Sicht, sondern auch mit Blick auf die Gesundheit des Gewaltopfers einen hohen Stellenwert.”
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann: „Die Opfer von Gewalttaten haben Schlimmes erlebt und sind häufig traumatisiert. Wir wollen mit diesem Vertrag dazu beitragen, dass ihnen in dieser außerordentlich schwierigen Situation geholfen wird und dass sie sich auch noch längere Zeit nach der Tat für ein strafrechtliches Verfahren entscheiden können. Dafür ist es unbedingt notwendig, dass ihnen niedrigschwellig bei der Beweissicherung geholfen wird. Das ist für die Beweisführung in etwaigen späteren strafrechtlichen Verfahren ein wichtiger Schritt. Mein herzlicher Dank gilt den Vertragspartnerinnen und -partnern für ihr großes Engagement beim Zustandekommen des Vertrages“.
Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest, für die gesetzlichen Krankenkassen: „Gemeinsam mit den beiden beteiligten Ministerien ist es uns gelungen, eine gute vertragliche Grundlage für die künftige Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung zu schaffen und damit gleichzeitig Opfer von Gewalttaten zum wichtigen Schritt der Beweissicherung zu ermutigen. Wenn rechtsmedizinische Leistungen anonym übernommen und abgerechnet werden, dann hilft das, die Betroffenen nicht zusätzlich zu belasten oder zu gefährden. Deshalb steht der Opferschutz an oberster Stelle.“
Den Vertragspartnerinnen und -partnern war es wichtig, bewährte Strukturen einzubeziehen. So wird bspw. das iGOBSIS-System bei der Umsetzung des Vertrages Anwendung finden. iGOBSIS ist ein durch Forschende des Universitätsklinikums Düsseldorf und der FH Dortmund entwickeltes intelligentes Gewaltopfer-Beweissicherungs- und -Informationssystem (www.gobsis.de). Der Einsatz von iGOBSIS wird vom MKJFGFI mit rund 800.000 Euro in 2025 gefördert.
Prof. Stefanie Ritz, Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf mit der angeschlossenen Rechtsmedizinischen Ambulanz für Gewaltopfer: „Es ist sehr wichig, dass die Dokumentation von Verletzungen wirklich gerichtsfest ist und die Spurensicherung sachgerecht durchgeführt wird. Darauf müssen sich Betroffene unbedingt verlassen können. Rechtsmedizinische Kompetenz muss daher rund um die Uhr zur Verfügung stehen und Kliniken müssen systematisch geschult werden. Genau dafür wurde iGOBSIS entwickelt und in zahlreichen nordrheinwestfälischen Kliniken erprobt. Über das System wird eine qualifizierte Vertrauliche Spurensicherung auch abseits der Zentren möglich. Betroffene sollten keine langen Wege in Kauf nehmen müssen, wenn ihnen Gewalt widerfahren ist und sie kompetente Ansprechpartner brauchen.”
2020 hat der Bundesgesetzgeber die Voraussetzungen geschaffen, damit die von Einrichtungen des Gesundheitswesens erbrachten Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper betroffener Personen finanziert werden können. Hintergrund ist, dass allein die mündliche Aussage der Opferzeugin oder des Opferzeugen mangels weiterer Beweismittel für eine Anklageerhebung oft nicht ausreichend ist. Voraussetzung für die Anwendung ist der nun ausgearbeitete Vertrag zwischen den Vertragspartnerinnen und -partnern, der die Leistungen und deren Vergütung zur vertraulichen Spurensicherung in Fällen von sexualisierter Gewalt und Misshandlungen regelt.
Nach der Beschlussfassung durch das Landeskabinett am 17. Dezember 2024 erfolgt nun die vorgeschriebene Unterrichtung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Im Anschluss wird die Unterzeichnung durch die Vertragsparteien erfolgen. Angestrebt wird ein Inkrafttreten im Februar 2025. Im Anschluss wird das Angebot sukzessive in nordrhein-westfälischen Kliniken zur Verfügung stehen.
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