Rede von Ministerpräsident Hendrik Wüst zu den Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt

Aktuelle Stunde im Landtag Nordrhein-Westfalen

„Auch wenn die Feinde der Demokratie demokratisch gewählt sind, es sind noch lange keine Demokraten“, erklärte Ministerpräsident Wüst in der Aktuellen Stunde des nordrhein-westfälischen Landtags zum Thema „Mehr als 100.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen demonstrieren für Demokratie und Vielfalt“. Lesen Sie hier die gesamte Rede im Wortlaut.

25. Januar 2024
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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Satz ist die Lehre aus Nazidiktatur und Holocaust. Dieser Satz ist das Fundament, auf dem unsere freiheitliche Demokratie steht. Dieser Satz war über Jahrzehnte Grundkonsens aller politischen Kräfte in den Parlamenten unseres Landes. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Es gibt Kräfte, die an diesem Fundament der Bundesrepublik Deutschland rütteln. Kräfte, die Unterschiede machen zwischen behinderten und nichtbehinderten Kindern. Kräfte, die Unterschiede machen zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Kräfte, die Menschen aus unserem Land deportieren wollen. Die unser Land zurückführen wollen in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Kräfte, die heute leider in den meisten Parlamenten sitzen, auch in unserem Landtag. Auch wenn die Feinde der Demokratie demokratisch gewählt sind, es sind noch lange keine Demokraten.

Es hat im November in Potsdam dieses Treffen gegeben von Rechtsextremisten und Nazis. Da wurden menschenverachtende Pläne geschmiedet, Pläne, die sich gegen die Menschenwürde, gegen unser Grundgesetz und unsere liberale Demokratie richten. Wenn führende Köpfe einer Partei rechtsextrem sind, wenn sie Nazis sind, dann darf man sie auch als solche bezeichnen. Da sind Nazis am Werk. Es ist die Verantwortung aller demokratischen Kräfte, in einer solchen Situation die Dinge klar beim Namen zu nennen, Klartext zu reden. An unserem Standpunkt darf es keinen Zweifel geben. Aber die Feinde unserer Demokratie können gewiss sein Die demokratische Mitte unserer Gesellschaft ist wehrhaft. Unsere Demokratie ist wehrhaft.

Es ist immer das gleiche Muster Extremisten reklamieren für sich, für die schweigende Mehrheit zu sprechen. In diesen Tagen wird das in beeindruckender Weise widerlegt. Die schweigende Mehrheit unseres Landes steht auf und meldet sich zu Wort. Die schweigende Mehrheit unseres Landes steht auf und meldet sich zu Wort und macht dankenswerterweise klar Nordrhein-Westfalen ist demokratisch und Nordrhein-Westfalen bleibt demokratisch. Mich erfüllt das mit Freude, mit Stolz, Erleichterung und Dankbarkeit, dass sie in diesen Tagen auch in unserem Land, in Nordrhein-Westfalen, Hunderttausende Menschen auf den Weg machen, aus allen Teilen der Gesellschaft, den Feinden unserer Demokratie ein klares Signal zu senden und sich ihnen entgegenzustellen. In allen Regionen, in großen Städten und in kleinen Städten. Demonstrationen, getragen von breiten Bündnissen, von allen demokratischen Parteien, von Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Sozialverbänden, Bürgerinitiativen und vielen anderen mehr.

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen zum ersten Mal auf eine Demo. Viele bringen ihre Kinder mit und gemeinsam setzen sie ein Zeichen für Demokratie, für Vielfalt, für Toleranz und Rechtsstaatlichkeit. Sie setzen ein Zeichen gegen Rechtsextreme und gegen Nazis. Dafür von Herzen Danke. Wir sollten diesen Zusammenhalt pflegen, dankbar dafür sein und nicht versuchen, Einzelne gegeneinander auszuspielen. Auch nicht andere, die in diesen Tagen auch für ihre Interessen auf die Straßen gehen. Wenn wir unterschiedliche Gruppen, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, für ihr Anliegen zu demonstrieren, jetzt gegeneinander ausspielen, glaube ich, schadet das dem Zusammenhalt insgesamt. Die Demonstrationen sind ein klares und ein wichtiges Signal. Ein Signal an die Feinde der Demokratie, dass die Mehrheit in diesem Land unsere freiheitliche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Vielfalt verteidigt.

Entscheidend ist unsere Demokratie muss jeden Tag neu verteidigt werden, auch jenseits der Demonstrationen. Und ich bin sicher, jeder, auch hier im Hohen Haus, kennt solche Situationen, wenn ein bekannter Arbeitskollege irgendwo eine diskriminierende, eine ausgrenzende Äußerung macht. Jeder ist in irgendwelchen WhatsApp-Gruppen, wo jemand meint, ein vermeintlich witziges Sharepic teilen zu müssen, das in Wahrheit nicht witzig ist, sondern rassistisch oder ausgrenzend. Jemand relativiert rechtspopulistische Positionen, kündigt an, bei den nächsten Wahlen Rechtsaußen zu wählen. Auch dann kommt es darauf an, dagegenzuhalten, Flagge zu zeigen und für unsere Werte einzustehen. Das kann jede und jeder jeden Tag tun. Und darum bitte ich die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Zeigen Sie Zivilcourage. Jeden Tag, an jeder Stelle verteidigen Sie unsere Demokratie auch im Alltag. Von Herzen Dankeschön an die demokratischen Fraktionen in diesem Parlament für den gemeinsamen Antrag. Auch das ist ein wichtiges Zeichen. Aber unsere Verantwortung ist größer.

Den größten Auftrieb erhalten populistische Parteien immer dann, wenn die demokratische Mitte ganz offensichtliche Probleme nicht in der Lage ist zu lösen. Wenn die demokratische Mitte es nicht schafft, gemeinsame Lösungen auf große Herausforderungen zu finden, dann werden die Ränder stark. Dann ist auch unsere Demokratie in Gefahr. Es ist an der Zeit, dass alle Demokraten über Parteigrenzen und staatliche Ebenen hinweg die Herausforderungen und Probleme unserer Zeit erkennen und klar benennen und dass wir gemeinsam an wirksamen Lösungen arbeiten.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Die Würde des Menschen ist unantastbar und bleibt unantastbar. Dafür stehen wir in Nordrhein-Westfalen gemeinsam ein.