Nordrhein-Westfalen gedenkt der Pogromnacht vor 85 Jahren
Zum Jahrestag der Reichspogromnacht gedenkt Nordrhein-Westfalen der Opfer. Ministerpräsident Wüst legte als Zeichen der Solidarität einen Kranz an der ehemaligen Synagoge in Düsseldorf nieder. In seiner Rede im Landtag betonte er: Das Gedenken ist in diesem Jahr nicht wie sonst – der 7. Oktober 2023 war eine Zäsur.
Heute vor 85 Jahren brannten in Deutschland die Synagogen, zerstörten organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte. Tausende Jüdinnen und Juden wurden misshandelt, verhaftet oder getötet. In einer Gedenkstunde hat der Landtag Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Landesregierung und der Landeshauptstadt Düsseldorf an die Pogromnacht vor 85 Jahren erinnert und der Opfer gedacht.
Schon am Morgen legten auf Einladung der Jüdischen Gemeinde Landtagspräsident André Kuper, Ministerpräsident Hendrik Wüst, Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller sowie der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Dr. Oded Horowitz, Gedenkkränze am ehemaligen Standort der Düsseldorfer Synagoge in der Kasernenstraße nieder.
In seiner Rede im Landtag betonte Ministerpräsident Wüst die Besonderheit des diesjährigen Gedenkens: „Wir können heute nicht gedenken, wie wir das in den vergangenen Jahren getan haben. Der 7. Oktober 2023 war eine Zäsur. Der brutale Terrorangriff der Hamas auf Israel, auf Kinder, Frauen und ältere Menschen macht nach wie vor fassungslos, wütend und traurig. Unsere Gedanken sind bei unseren israelischen Freunden, bei den Opfern und ihren Familien. Wir denken an die über 200 Geiseln der Hamas. Wir bangen mit ihren Familien um ihr Leben.“
Wüst betonte: „Der barbarische Terror der Hamas hat in Israel zu einer tiefgreifenden Verunsicherung geführt – und nicht nur da. Diese Verunsicherung ergreift Menschen jüdischen Glaubens überall auf der Welt, auch hier bei uns. Es ist zutiefst alarmierend und erschütternd, dass heute – 85 Jahre nach den November-Pogromen – Jüdinnen und Juden wieder das Gefühl haben, keine sichere Heimat zu haben und dass sie in Deutschland Angst haben, in der Öffentlichkeit als Jüdinnen oder Juden erkannt zu werden.“
Mit Blick auf aktuelle antisemitische Äußerungen und Kundgebungen in Deutschland erklärte der Ministerpräsident: „Jeder, der in Deutschland lebt, genießt das hohe Gut der Meinungsfreiheit. Jedem muss aber auch klar sein: Die Meinungsfreiheit endet dort, wo Hass und Antisemitismus beginnen“.
Neben dem Ministerpräsidenten sprachen auch Landtagspräsident André Kuper, Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller sowie der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Dr. Oded Horowitz. Nach dem Gebet „el male rachamim – Gott voller Erbarmen“, vorgetragen von Aaron Malinsky, Kantor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, bat Präsident André Kuper die Gäste um eine Schweigeminute.
Im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung stand das Ehepaar Otto und Paula Mayer, die zu den wenigen gehörten, die während des Novemberpogroms 1938 im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel verschont blieben. Während ihre Söhne Erich und Kurt auswandern konnten, gelang Otto und Paula Mayer die Flucht ins Ausland nicht. Einzig Briefe ermöglichten den Kontakt zwischen Eltern und Kindern. Thomas Mayer, Enkel von Otto und Paula Mayer, bewahrte den Briefwechsel auf und übergab ihn dem Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Er trug gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums Düsseldorf in einer szenischen Lesung aus den Briefen vor.
Zum heutigen Gedenktag haben die Kirchen und Religionsgemeinschaften, Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen zusammen mit der Landesregierung eine wegweisende gemeinsame Erklärung zum 9. November 2023 (PDF, 236 KB) unterzeichnet – ein starkes Signal 85 Jahre nach der Reichspogromnacht. „Es ist eine Erklärung, die sich nicht nur in aller Klarheit zur historischen Verantwortung Deutschlands und dem Existenzrecht Israels bekennt. Die gemeinsame Erklärung verurteilt auch den barbarischen Angriff der Hamas auf Israel und den aufflammenden Antisemitismus auf deutschen Straßen“, so Ministerpräsident Wüst. „Dass diese Erklärung die Unterschriften von Vertretern sowohl der jüdischen als auch der muslimischen Gemeinschaft trägt, ist in diesen Tagen ein Zeichen der Hoffnung und des Zusammenhalts in unserem Nordrhein-Westfalen“.