Wirtschaftsministerinnen und -minister beraten in Düsseldorf mit Bundesminister Altmaier

Länder fordern bessere Rahmenbedingungen für die Industrie, Maßnahmen zur Linderung der Materialknappheit und Corona-Wirtschaftshilfen bis Jahresende

18. Juni 2021

Die Industrie ist ein Stabilitätsanker für die deutsche Wirtschaft, das hat die durch die Pandemie ausgelöste Krise wieder einmal gezeigt. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, machten sich die Wirtschaftsministerinnen und -minister der Länder für Maßnahmen stark, die klimafreundliche Innovationen und Investitionen fördern, Regulierungen und andere Hemmnisse durch Bund und EU abbauen sowie Carbon Leakage zu Lasten heimischer Anbieter verhindern.

Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie

Die Industrie ist ein Stabilitätsanker für die deutsche Wirtschaft, das hat die durch die Pandemie ausgelöste Krise wieder einmal gezeigt. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, machten sich die Wirtschaftsministerinnen und -minister der Länder für Maßnahmen stark, die klimafreundliche Innovationen und Investitionen fördern, Regulierungen und andere Hemmnisse durch Bund und EU abbauen sowie Carbon Leakage zu Lasten heimischer Anbieter verhindern. Darüber hinaus forderten die Länder eine Verlängerung der Überbrückungshilfen bis Ende des Jahres und erste Maßnahmen zur Stärkung der Innenstädte und der innerstädtischen Unternehmen bis zur Sommerpause. Exportbeschränkungen als Reaktion auf Materialengpässe und steigende Preise lehnten die Länder ab. Stattdessen sollten Investitionsbedingungen verbessert und Genehmigungsverfahren für Erweiterungen verkürzt werden. Öffentliche und private Auftraggeber sollten Preisgleitklauseln zulassen und aktuell auf Konventionalstrafen verzichten.
 
Innovationsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart als Vorsitzender der Wirtschaftsministerkonferenz (WMK) begrüßte die Beschlüsse: „Die Krise hat gezeigt, wie wichtig die Industrie für Wirtschaft und Gesellschaft ist. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir fortschreiben. Um der Industrie im Zeichen von Klimaschutz und Digitalisierung eine Chance auf schnelle Erneuerung zu eröffnen, müssen wir die Bedingungen für Innovation und Investition deutlich verbessern. Gezielte Anreize und ein hohes Tempo bei Planung, Genehmigung und Umsetzung sind unverzichtbar. Und wir brauchen offene Märkte, aber zu fairen Bedingungen, damit Produktion und Beschäftigung nicht in Regionen mit weniger ambitionierten Klimazielen abwandern. Das gilt besonders für unsere Stahlindustrie, die auf Förderung durch Bund und EU und die Verfügbarkeit von preisgünstigem grünen Wasserstoff angewiesen ist. Wie wichtig offene Grenzen sind, zeigen auch die gegenwärtigen Engpässe und Preissprünge bei Materialien und Rohstoffen. Sie bremsen das Wachstum und gefährden Arbeitsplätze in Mittelstand und Handwerk. Hier sollten vor allem öffentliche Auftraggeber auf Konventionalstrafen verzichten, auf ihre Lieferanten zugehen und einvernehmliche Lösungen suchen.“
 
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: „Bund und Länder haben in der Krise entschlossen gehandelt. Wir haben mit umfassenden Hilfen die Substanz unserer Wirtschaft erhalten und schaffen in diesem Jahr die Trendwende. Die deutsche Wirtschaft wächst in diesem Jahr zwischen drei und vier Prozent und das ist auch im europäischen Vergleich ein starkes Zeichen. Da der Konjunkturmotor aber aktuell noch nicht in allen Branchen gleichermaßen rund läuft, haben wir als Bundesregierung am 9. Juni 2021 beschlossen, die aktuellen Corona-Hilfen bis zum 30.09.2021 zu verlängern und die Hilfen für Soloselbständige im Rahmen der Neustarthilfen ebenfalls zu verlängern und aufzustocken. Daneben müssen wir jetzt den Blick auch nach vorn richten und aktuelle Herausforderungen im engen Schulterschluss zwischen Bund und Ländern meistern.
 
Wir haben heute auf der Wirtschaftsministerkonferenz auch über das Thema Materialknappheit gesprochen und gemeinsam die Bedeutung freier und offener Märkte betont. Daneben wollen wir bei zentralen Zukunftstechnologien, wie Halbleiter, Wasserstoff oder Batterie, die Produktion wieder stärker nach Deutschland und Europa holen. Dass das gelingen kann, zeigen die aktuellen gemeinsamen europäischen Projekte zur Batteriezellfertigung und die rund acht Milliarden Euro, die Bund und Länder für ein großes gemeinsames europäisches Wasserstoffprojekt zur Verfügung stellen. Wasserstoff ist ein Schlüsselrohstoff nicht nur zur Erreichung unserer Klimaziele, sondern auch um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland und Europa zu sichern. Mit dabei bei diesem bislang einmaligen und größten europäischen Wasserstoffprojekt sind alle in Deutschland tätigen Stahlerzeuger, aber auch eine Reihe von innovativen Vorhaben der Chemieindustrie, denn gerade in diesen energieintensiven Bereichen brauchen wir grünen Wasserstoff.“
 
Saarlands Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger: „Deutschland ist ein Industrieland und will es auch bleiben – das gilt insbesondere für die Stahlindustrie, denn moderner Stahl wird auch für E-Autos und Windräder gebraucht. Das Handelskonzept Stahl der Bundesregierung ist zu begrüßen, aber die bisherige Umsetzung reicht noch nicht aus, um die Stahlindustrie hierzulande zu sichern. Wir brauchen einen fairen Wettbewerb für unseren heimischen Stahl, dafür muss das BMWI sich aktiv für Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage und zur Herstellung eines internationalen Level Playing Fields einsetzen. Die Ende Juni 2021 auslaufende Safeguard-Verordnung der EU für den Stahlsektor muss verlängert und flexibler ausgestaltet werden. Auf das zeitnah zu erwartende Klimaschutzpaket der EU muss das Bundeswirtschaftsministerium im Sinne der deutschen Stahlindustrie einwirken, auch dürfen die von der EU-Kommission angekündigten CO-Grenzausgleichsmaßnahmen nicht die kostenfreie Zuteilung der Emissionsrechte und die Strompreiskompensation für die Stahlindustrie nur ergänzen, aber nicht ersetzen. Die Förderung für die Transformation der Industrie – etwa durch IPCEI-Programme – muss überprüft werden, ob die finanziellen Dimensionen annähernd ausreichen, auch der beihilferechtliche Rahmen auf EU-Ebene bedarf der Anpassung für die vor der Stahlindustrie liegenden Herausforderungen. Wenn bei uns die Stahlindustrie kaputtgeht, hilft das nicht dem Klima, das hilft höchstens China, der Türkei, Russland und anderen.“
 
Zu den Beschlüssen:
 
Industriepolitik/Stahl: Zur Überwindung der Corona-Pandemie sind innovationsfördernde Rahmenbedingungen notwendig. Dazu zählen bessere Förderbedingungen zur Gestaltung des Strukturwandels, Experimentierklauseln mit Vereinfachungen im Beihilferecht insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen, ein besserer Zugang zu Wagniskapital und eine Reduzierung, Priorisierung und Verbesserung von Regularien.
 
Für nicht hinreichend hält die WMK die Eckpunkte des Bundesumweltministeriums zur Ausgestaltung der Carbon Contracts for Difference (CCfD), mit denen der Staat die Mehrkosten der klimafreundlichen Erzeugung gegenüber herkömmlichen Verfahren ausgleichen soll. Diese müssten technologieoffener gestaltet werden und zum Beispiel den Einsatz von Wasserstofftechnologien in den Hochöfen der Stahlindustrie berücksichtigen können. Das Förderprogramm für CCfD soll überarbeitet, das Volumen angepasst und neben grünem Wasserstoff sollten für einen begrenzten Zeitraum nachweislich klimaneutrale respektive klimapositive Wasserstoffarten anerkannt werden.
 
Das Bundeswirtschaftsministerium wird aufgefordert, sich aktiv für Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage und zur Herstellung fairer internationaler Wettbewerbsbedingungen (Level Playing Fields) einzusetzen. Die Bundesregierung soll auf eine Verlängerung der im Juni auslaufenden Safeguard-Verordnung hinwirken. Zur Umsetzung des Handlungskonzeptes Stahl sind eine Förderung des Bundes und der EU, Leitmärkte für Grünen Stahl und eine ausreichende Verfügbarkeit von preisgünstigem klimaneutralem Wasserstoff erforderlich. Die Bundesregierung muss prüfen, ob die Förderprogramme hier ausreichend dotiert sind.
 
Wirtschaftshilfen: Die Wirtschaftsministerkonferenz dankt der Bundesregierung für Verbesserungen der laufenden Überbrückungshilfe und die bei der EU-Kommission erreichte Erweiterung des beihilfe-rechtlichen Rahmens. Da die Folgen der Pandemie noch bis in das vierte Quartal spürbar seien, forderten die Ministerinnen und Minister eine Verlängerung der Überbrückungshilfen und der Härtefallhilfen bis zum Jahresende 2021.
 
Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit: Die Wirtschaftsministerkonferenz sieht die Bundes- und Landesregierungen in der Pflicht, Vorsorge zu treffen, damit bei erneuter Steigerung der Inzidenzwerte die Bekämpfung der Pandemie eine erneute Teilschließung/ Schießung von Unternehmen möglichst ausgeschlossen wird.
 
Die WMK hält es für erforderlich, die Stärkung der Innenstädte und die Entwicklung von innerstädtischen Unternehmen mit besonderer Priorität zu unterstützen. Sie bittet daher das Bundeswirtschaftsministerium, für weitere Maßnahmen bis zur Sommerpause 2021 Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro bereitzustellen und noch in diesem Jahr bundesweit erste Projekte zu starten.
 
Engpässe bei Materialien und Rohstoffen: Da der überwiegende Teil der von Lieferengpässen und Preissteigerungen betroffenen Rohstoffe und Vorprodukte importiert werden muss, hält die WMK offene Märkte und den Abbau von Handelsbeschränkungen für unerlässlich. Zur Sicherung der Versorgung mit heimischen Rohstoffen, vor allem mit Holz und Baumaterialien, müssten regulatorische Hemmnisse abgebaut werden. Die Ministerinnen und Minister fordern die Bundesregierung auf, Vorschriften, die den Holzeinschlag beschränken, mit dem Ziel einer marktgerechten Versorgung schnellstmöglich zurückzunehmen. Aktuelle steuerliche Vorteile für Waldbesitzer sind soweit wie möglich zu erhalten. Die Wirtschaftsministerkonferenz betrachtet auch das wegen Schädlingsbefall eingeschlagene Holz als qualitativ vollwertigen Rohstoff, dessen Nutzung unter anderem beim Bau unterstützt werden sollte. Dem entgegenstehende Normen sollten überprüft und geändert werden.
 
Öffentliche Auftraggeber sollten vorübergehend Preisgleitklauseln zulassen, wo immer und soweit dies rechtlich zulässig ist, um die Auftragnehmer vor ungeplanten Kostenrisiken zu schützen und einem Stopp bei öffentlichen Investitionen aufgrund fehlender Angebote entgegenzuwirken. Öffentliche und private Auftraggeber sind aufgerufen, von Konventionalstrafen bei der Überschreitung von Lieferfristen aufgrund von Materialengpässen in der aktuellen Situation abzusehen.
 
 

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