Nordrhein-Westfalen fordert Gesetzesänderung um das erfolgreiche Konzept „Therapie statt Strafe“ nicht zu gefährden
Der Bundesrat hat, auf Initiative Nordrhein-Westfalens beschlossen, einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Sozialgesetzbuchs II an den Deutschen Bundestag weitergeleitet. Ziel der Gesetzesänderung ist die Sicherstellung eines Anspruchs auf Leistungen für verurteilte drogenabhängige Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung freiwillig in eine stationäre Therapieeinrichtung begeben haben.
Der Bundesrat hat am Freitag, 2. Februar 2024, auf Initiative Nordrhein-Westfalens beschlossen, einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Sozialgesetzbuchs II an den Deutschen Bundestag weiterzuleiten. Ziel der Gesetzesänderung ist die Sicherstellung eines Anspruchs auf Leistungen für verurteilte drogenabhängige Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) freiwillig in eine stationäre Therapieeinrichtung begeben haben.
Das bewährte in § 35 BtMG niedergelegte Konzept „Therapie statt Strafe” ist nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts gefährdet. Das Gericht hatte entgegen der zuvor anerkannten Praxis entschieden, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II für verurteilte Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG in einer stationären Therapieeinrichtung befinden, ausgeschlossen ist. Damit entfällt neben dem gesetzlichen Krankenversicherungsschutz auch ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Justizminister Dr. Limbach: „Ein Scheitern des Konzepts ‚Therapie statt Strafe’ können wir uns wegen der damit verbundenen Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch untherapierte Drogenabhängige nach ihrer Entlassung als Gesellschaft nicht leisten. Denn erfolgreiche Resozialisierung ist effektiver Opferschutz.“
Hintergrund
Mit Urteil vom 5. August 2021 (B 4 AS 58/20 R) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für verurteilte Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG in einer stationären Entwöhnungstherapie befinden ausgeschlossen ist.
In der Praxis hat diese Rechtsprechung zur Folge, dass für Gefangene, gegen die eine nach § 35 BtMG zurückstellungsfähige Strafe vollstreckt wird, eine Vermittlung in eine notwendige Therapie nach § 35 BtMG faktisch unmöglich wird. Denn die Rechtsprechung hat nicht nur Auswirkungen auf den Krankenversicherungsschutz während der Therapie, sondern sie führt insbesondere auch dazu, dass den Verurteilten keine ausreichenden Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhalts während der Therapiemaßnahme zur Verfügung stehen. In manchen Ländern verweigern die zuständigen Träger unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. August 2021 sogar Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Daher steht zu befürchten, dass die Fachkliniken die Aufnahme dieser Personen trotz Kostenzusage verweigern, da die Therapienebenkosten durch die therapiewilligen Personen nicht mehr geleistet werden können. Auch die Erlangung einer Kostenzusage durch die Renten- bzw. Krankenversicherung wird durch die genannte Rechtsprechung erschwert.
Der bislang erfolgreiche Ansatz des § 35 BtMG, „Therapie statt Strafe“, droht daher künftig weitgehend ins Leere zu laufen.