Minister Oliver Krischer: Verbesserung des Hochwasserschutzes eine Lehre der Naturkatastrophe
Hochwasserschutz wird personell besser ausgestattet und Pegelnetz weiter ausgebaut – 120 Millionen Euro für Wiederaufbau und Sanierung von Straßen, Brücken und Tunnel
Die Landesregierung sieht beim Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur und der Verbesserung der Hochwasserinformation zwei Jahre nach der Unwetterkatastrophe vom Juli 2021 entscheidende Fortschritte.
Die Landesregierung sieht beim Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur und der Verbesserung der Hochwasserinformation zwei Jahre nach der Unwetterkatastrophe vom Juli 2021 entscheidende Fortschritte. „Das Hochwasser und die Sturzfluten vor zwei Jahren brachten die größte Naturkatastrophe in Nordrhein-Westfalen der letzten Jahrzehnte mit sich“, sagte Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer im Vorfeld des Jahrestages. „Das menschliche Leid und die enormen materiellen Schäden, die die Starkregenereignisse und massiven Überschwemmungen angerichtet haben, müssen uns Mahnung und Auftrag zugleich sein.“ Noch immer seien die Spuren der Hochwasserkatastrophe sichtbar, aber auch die Erfolge bei der Beseitigung der Flutschäden. „Der Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur in der Zuständigkeit des Landes ist fast abgeschlossen, beim Schienenverkehr sind wir auf einem guten Wege. Und bei der Umsetzung des 10-Punkte-Arbeitsplans zum Hochwasserschutz haben wir wichtige Aufgaben erledigt“, fasste Minister Krischer die Bilanz des Wiederaufbaus der Verkehrsinfrastruktur und der Weiterentwicklung des Hochwasserrisikomanagements zusammen. Allein in die Beseitigung der Schäden an Bundes- und Landesstraßen, Brücken und Tunneln wurden in den letzten zwei Jahren gut 120 Millionen Euro investiert.
In Folge der Unwetterkatastrophe Mitte Juli 2021 starben 49 Menschen in Nordrhein-Westfalen. Das Sturmtief „Bernd" verwüstete im Zeitraum vom 13. bis 15. Juli 2021 große Bereiche in den südlichen Landesteilen, besonders in der nördlichen Eifel und im Bergischen Land. Das Ausmaß der Überschwemmungen hat in vielen Bereichen die bisherigen Erfahrungswerte überschritten. An den Gewässern Ruhr, Wupper, Sieg, Agger, Erft und Eifel-Rur sowie deren Nebengewässern waren die Scheitelwasserstände vielfach historisch hoch und teils deutlich über den bisher aufgezeichneten Höchstständen. Die materiellen Schäden durch die Sturzfluten und massiven Überschwemmungen an Infrastruktur und Gebäuden gehen in die Milliarden. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden im Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) rund 116 Bauwerke – also beispielsweise Brücken, Lärmschutzwände oder Stützwände – und zwei Tunnel erheblich beschädigt. 15 der Brücken mussten komplett ersetzt werden. Außerdem kam es zu 91 Hangrutschungen und etlichen Schädigungen an Fahrbahnen. Insgesamt mussten unmittelbar nach den Starkregenereignissen 220 Sperrungen auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen in der Zuständigkeit von Straßen.NRW eingerichtet werden. Zahlreiche Schienenstrecken wurden unterspült.
Millionen für Wiederaufbau der Infrastruktur
Ein Großteil des Wiederaufbaus der Straßeninfrastruktur nach der Hochwasserkatastrophe durch Straßen.NRW ist inzwischen erfolgt. Bis auf zwei noch bestehende Straßensperrungen konnten mittlerweile wieder sämtliche beschädigten Straßen für den Verkehr frei gegeben werden. Für die gesperrte L924 zwischen Velbert-Nierenhof und Wuppertal ist eine Verkehrsfreigabe Mitte Juli 2023 vorgesehen. Mit der für das Frühjahr 2024 vorgesehenen Fertigstellung der Rurbrücke auf der L136 in Jülich werden sämtliche Schadenbeseitigungen und Wiederherstellungen abgeschlossen sein. „Dank erheblicher Erleichterungen der Landesregierung in den Vergabeverfahren war es möglich, schnell und unbürokratisch zu handeln“, sagte Dr. Petra Beckefeld, Technische Direktorin und Sprecherin des Direktoriums von Straßen.NRW. „Zusätzlich führte der Einsatz innovativer Brückenbauverfahren noch einmal zu erheblichen Zeiteinsparungen.“
Brücken besonders verstärkt
Insbesondere beim Wiederaufbau der Brücken hat Straßen.NRW technische Vorkehrungen gegen Schäden bei einem erneuten Hochwasserereignis getroffen. Entsprechend wurden die neuen Brücken mit massiven Bohrpfählen oder mit Spundwandkästen als dauerhaftem Schutz vor Ausspülungen errichtet.
Ferner wurden die neuen Uferbefestigungen als Steinschüttung oder Steinmatten ausgeführt, so dass eventuelle Unterspülungen der Brücken bei einem erneuten Hochwasserereignis schneller erkennbar sind.
Viele Schienenstrecken wieder frei gegeben
In Nordrhein-Westfalen wurde eine Vielzahl von Strecken, Bahnhöfen und Anlagen zerstört. An mehr als 1500 Stellen im Schienen-Netz kam es zu Streckensperrungen und Betriebseinschränkungen im Güter- und Personenverkehr. Bereits kurz nach der Unwetterkatastrophe konnte die für Nordrhein-Westfalen wichtige Güterverbindung nach Belgien und zum Hafen Antwerpen wiederhergestellt werden. Inzwischen sind nach Auskunft der Deutschen Bahn ein Großteil der betroffenen Strecken wieder befahrbar.
Große Fortschritte beim Wiederaufbau konnten auch auf dem nordrhein-westfälischen Teil der Eifelstrecke erzielt und einzelne Streckenabschnitte wieder frei gegeben werden. Seit August 2022 arbeitet die Deutsche Bahn auch an der Wiederherstellung der Erfttalbahn (RB 23) zwischen Euskirchen und Bad Münstereifel. Bis Ende 2023 soll der 14 Kilometer lange Streckenabschnitt wieder befahrbar sein. Ebenfalls bis zum Ende des Jahres soll die Volmebrücke auf dem Streckenabschnitt der Volmetalbahn wieder hergestellt werden und damit auch der Schienenersatzverkehr zwischen Rummenohl und Lüdenscheid beendet werden. Noch in diesem Jahr ist zudem mit einem Baubeginn auf einem beschädigten Streckenabschnitt der Eschweiler Talbahn zu rechnen. Hier muss eine Stützwand zwischen Eschweiler West und Stolberg abgetragen und neu aufgebaut werden.
Hochwasserschutz personell gestärkt
Minister Krischer sieht die Landesregierung bei der Weiterentwicklung des Hochwasserrisikomanagements auf einem guten Weg. Insbesondere konnten bei der Umsetzung des 10-Punkte-Arbeitsplans mit dem Nachtragshaushalt 2022 über 100 neue Stellen in der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes geschaffen werden. Davon entfallen 31 Stellen allein auf das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV). Diese Stellen werden vor allem für die Hochwasservorhersage und den Hochwasserinformationsdienst eingesetzt. „Um rechtzeitig auf drohendes Hochwasser reagieren zu können, sind Informationen über die aktuellen Wasserstände und deren Entwicklung ein wichtiges Hilfsmittel. Die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hat uns dies eindrücklich vor Augen geführt“, sagte Minister Krischer. „Unser Ziel ist es, das bestehende Pegelmessnetz auszubauen und zu optimieren. Ein modernes Pegelmessnetz mit einer ausreichenden Anzahl von Messstellen ist dabei einer der wichtigsten Bausteine für eine frühzeitige Hochwasserinformation und verbesserte Hochwasservorhersage. Hierdurch soll die Bevölkerung besser und frühzeitiger vor Hochwasserereignissen gewarnt werden.“ Mittlerweile sind 25 neue Standorte für den Bau von LANUV-Pegeln zur Warnung vor Hochwasser in Nordrhein-Westfalen ermittelt worden. Die weiteren Schritte für den Bau der Pegel wurden bereits angestoßen.
Neben einer Verbesserung der Hochwasserinformation (Hochwasservorhersage und Pegelinformationen) als Grundlage für die rechtzeitige Warnung lassen sich wesentliche Verbesserungen durch eine Anpassung der Meldewege und eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Wasserwirtschaft und Katastrophenschutz erreichen. Als Ergebnis wurden etwa die Meldewege durch den gemeinsamen Runderlass des MUNV und des Ministeriums des Innern zur Verteilung der Hydrologischen Lageberichte bereits verkürzt sowie eine effizientere Verteilung sichergestellt.
Während der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 wurden in Nordrhein-Westfalen auch 21 gewässerkundliche Pegel und 16 Hochwassermeldepegel zerstört. Alle Hochwassermeldepegel waren innerhalb weniger Wochen nach dem Ereignis wieder für die Datenerfassung und –übertragung funktionstüchtig.
Überprüfung der Hochwasserschutzanlagen
Als Reaktion auf die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 prüft das Ministerium alle Aspekte des Hochwasserrisikomanagements auf seine Aktualität. Dazu gehört neben der Frage der Funktionalität der Hochwasserschutzanlagen, allen voran der Deiche, auch die Frage, ob die Kulisse der Gewässer mit einem signifikanten Hochwasserrisiko erweitert werden muss sowie, ob und in welcher räumlichen Ausdehnung Überschwemmungsgebiete neu festgesetzt werden müssen. Denn in Nordrhein-Westfalen ist auf einer Länge von rund 6000 Kilometern an 438 Gewässern ein signifikantes Hochwasserrisiko festgestellt worden. Zur Verbesserung des Hochwasserschutzes vor Ort soll durch die Erstellung und konsequente Umsetzung überregionaler Hochwasserschutzkonzepte ein risikobasiertes und ganzheitliches Hochwasserrisikomanagement realisiert werden. Neben einer geeigneten Hochwasserinformation können unter anderem Maßnahmen des natürlichen Wasserrückhalts, einer veränderten Flächennutzung vor Ort und auch Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes dabei helfen, die Menschen in Nordrhein-Westfalen vor Hochwasser zu schützen. „Das Juli-Hochwasser von 2021 und die Beschädigung des Emscher-Deiches in Dinslaken durch das Unwetter im Juni 2023 haben einmal mehr gezeigt, dass wir unser Augenmerk auch auf die Deichanlagen und deren Funktionsfähigkeit legen müssen. Diese Untersuchung läuft bereits und ich erwarte zeitnah erste Ergebnisse“, sagte Minister Krischer.
Wahrscheinlichkeit von Extremwetterlagen steigt
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) erwartet, dass durch den fortschreitenden Klimawandel meteorologischen Extremereignisse zukünftig häufiger auftreten. „Unser aktueller Klimabericht zeigt sehr deutlich: Der Klimawandel hinterlässt auch in Nordrhein-Westfalen deutliche Spuren - und das in allen Umwelt-, Wirtschafts- und Lebensbereichen. Wetterextreme werden häufiger und intensiver. Die Dürrejahre 2018 bis 2020, viele einzelne Starkregenereignisse bis hin zur Flutkatastrophe unterstreichen die Tendenz“, sagte Dr. Barbara Köllner, Vizepräsidentin des LANUV.
Seit dem Beobachtungsbeginn im Jahr 1881 stieg die Jahresmitteltemperatur Nordrhein-Westfalens bereits um 1,7 Grad Celsius (°C). Im vorigen Jahr gab es einen neuen Rekord bei der Jahresmitteltemperatur mit 11,2 Grad Celsius (°C).
„Die Klimakrise trifft uns mit voller Wucht, und die Folgen der globalen Erwärmung werden immer mehr zur Belastung für Mensch, Umwelt und Infrastruktur", sagte Minister Krischer. „Wir brauchen deshalb einen ambitionierten Klimaschutz und eine engagierte Klimaanpassung – der Hochwasserschutz spielt dabei eine entscheidende Rolle.“
Die ausführlichen Landtagsberichte des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr zu den Flutschäden und dem Wiederaufbau der Straßeninfrastruktur finden Sie hier:
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Umweltdaten aus Nordrhein-Westfalen: Mit dem Umweltportal NRW hat das Umwelt- und Verkehrsministerium eine zentrale Anlaufstelle für behördliche Daten und Information zum Umweltzustand in NRW geschaffen.
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