Minister Laumann: „Preiskampf in der Fleischwirtschaft nicht zu Lasten von Arbeitnehmern“

Land plant den Aufbau einer landesweiten Beratungsinfrastruktur gegen Arbeitsausbeutung

16. Oktober 2019
phb Metzger, Fleisch

Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hat die Ergebnisse der aktuellen „Arbeitsschutzaktion Fleischwirtschaft“ vorgestellt und die Konsequenzen der Landesregierung dargelegt.

Arbeit, Gesundheit und Soziales

Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hat die Ergebnisse der aktuellen „Arbeitsschutzaktion Fleischwirtschaft“ vorgestellt und die Konsequenzen der Landesregierung dargelegt. Die Aktion, bei der der Arbeitsschutz 30 Schlachthöfe mit rund 17.000 Beschäftigten kontrolliert hat, bestätigte einen langfristigen Trend: Der Preiskampf in der Fleischindustrie führt oft zu überaus schwierigen – wenn nicht sogar prekären – Arbeitssituationen für die Beschäftigten. Betroffen sind in großer Zahl ausländische Arbeitskräfte, die im Rahmen von Werkverträgen beschäftigt werden. Laumann kündigte deshalb den Aufbau einer neuen Beratungsinfrastruktur an, die die Beschäftigten über ihre Rechte und Pflichten informieren und bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche unterstützen wird.
 
„Besonders oft betroffen sind ausländische Werkvertragsarbeitnehmer, die sich schon aufgrund von Sprachbarrieren schwertun, ihre Rechte durchzusetzen“, erläutert Arbeitsminister Laumann. „Deshalb setzen wir ein klares Signal: In Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für Arbeitsausbeutung.“
 
In 26 der 30 kontrollierten Betriebe wurden teils gravierende Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften festgestellt. Die Mängelliste umfasst die ganze Bandbreite des Arbeitsschutzrechts: Von verstellten Verkehrs- und Rettungswegen, Lagerungs- und Unterweisungsmängeln bei Gefahrstoffen, fehlenden Prüfungen und mangelhaften Schutzeinrichtungen an Maschinen, über fehlende arbeitsmedizinische Untersuchungen bis hin zu grundlegenden Mängeln bei der Arbeitsschutzorganisation (fehlende Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Sicherheitsfachkraft, Arbeitsmediziner).
 
In zahlreichen Fällen wurden zudem teils gravierende Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht festgestellt. Arbeitsschichten von über 12 Stunden waren keine Seltenheit. Zwei der vier Betriebe ohne strukturelle Mängel sind bereits seit längerer Zeit unter arbeitsschutzbehördlicher Kontrolle. Lediglich zwei Unternehmen – die übrigens Stammbelegschaften haben – stellten die Arbeitsschützer ein vergleichsweise gutes Zeugnis aus.
 
Die Ermittlungen sind umfangreich und dauern noch an. Bis dato wurden ca. 40 Prozent der Betriebsprüfungen mit folgendem Sachstand ausgewertet:

  • Es gab mehr als 3.000 Arbeitszeitverstöße (dabei wurden unter anderem gravierende Verstöße gegen die werktägliche Arbeitszeit ermittelt, etwa, dass Beschäftigte über 16 Stunden an einem Arbeitstag gearbeitet haben).
  • In mehr als 900 Fällen wurden keine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt.
  • Mehr als 100 technische Arbeitsschutzmängel mit hohem Gefährdungspotenzial wurden festgestellt (entfernte Schutzeinrichtungen, gefährlicher Umgang mit Gefahrstoffen, abgeschlossene Notausgänge, gefährlich abgenutzte Arbeitswerkzeuge). 
Das Arbeitszeitgesetz beschränkt die Bußgeldhöhe pro Tatbestand (Nichteinhaltung der täglichen Arbeitszeit, Nichteinhaltung der Pausenzeiten oder die Nichteinhaltung der Ruhezeiten) bei Vorsatz auf 15.000 Euro, bei Fahrlässigkeit auf höchstens 7.500 Euro. Da ein Vorsatz nur in Ausnahmefällen nachweisbar sein wird, dürften Maximalbußgelder im Nachgang zu dieser Arbeitsschutzaktion voraussichtlich nur selten verhängt werden. Sofern bei erneuten Kontrollen Wiederholungstaten festgestellt werden, kann von einem Vorsatz ausgegangen und der Höchstsatz des Bußgeldes von 15.000 Euro festgesetzt werden.
 
Arbeitsausbeutung ist aber leider nicht nur ein Thema in der Fleischindustrie. Das Arbeitsministerium plant deshalb den Aufbau eines landesweiten Beratungsnetzwerkes gegen Arbeitsausbeutung, das aus bestehenden Beratungsprojekten und den mit Mitteln des Land und des Europäischen Sozialfonds geförderten Erwerbslosenberatungsstellen bestehen soll.
 
Schon seit 2013 fördert die Landesregierung das Projekt „Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“. Gemeinsam mit zwei weiteren vom Bund geförderten Projekten bieten derzeit 10 Beraterinnen und Berater in Nordrhein-Westfalen Unterstützung und in der Regel muttersprachliche Beratung an. Das ist ein wichtiges, aber aus der Sicht des Arbeitsministers noch nicht ausreichendes Angebot.
 
Die 73 Erwerbslosenberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen werden in den nächsten Wochen und Monaten durch Schulungen dabei unterstützt, ihr Beratungsspektrum auszuweiten. Mit Hilfe der landeseigenen „G.I.B. - Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH“ und der Regionalagenturen werden konkrete Absprachen für die zukünftige Zusammenarbeit und Kooperation getroffen. Der Aufbau des Netzwerks soll Anfang 2020 starten. Ab 2021 wird diese Beratung dann fester Bestandteil der Arbeit der Beratungsstellen sein.
 
Zudem will Laumann der Arbeitsausbeutung durch mehr und intensivere Kontrollen sowie Broschüren und Webangebote, die die Betroffenen in der eigenen Sprache über ihre Rechte aufklären, einen Riegel vorschieben. „Wir können und wollen nicht zusehen, wie ausländische Beschäftigte in unserem Land ausgebeutet werden und wie illegale Strukturen einen gerechten Wettbewerb unterwandern“, so Minister Laumann. Deshalb werde man gemeinsam mit anderen zuständigen Stellen den Kontrolldruck auf die Branche schrittweise erhöhen. „Wir werden aber natürlich auch auf die Fleischwirtschaft zugehen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass branchenweite Verbesserungen schneller im gemeinsamen Dialog erreicht werden.“
 
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