Ausgezeichnet! Gesundheitswissenschaftlerin und Juristin erhalten Rita Süssmuth-Forschungspreis

Namensgeberin Rita Süssmuth: „Wir brauchen erkenntnisreiche Frauen- und Geschlechterforschung“

31. Oktober 2024
Preisträgerin Jara Streuer, Rita Süssmuth, Ministerin Ina Brandes, Preisträgerin Célina Miani

Der Preis würdigt exzellente Forscherinnen und Forscher aller Fachrichtungen, die in ihrer Arbeit Geschlechteraspekte untersuchen und damit das Verständnis von gesellschaftlichen Zusammenhängen auch über die Fachdisziplin hinaus ermöglichen.

Kultur und Wissenschaft

Prof. Dr. Céline Miani und Dr. Jara Streuer wurden mit dem Rita Süssmuth-Forschungspreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Der Preis würdigt exzellente Forscherinnen und Forscher aller Fachrichtungen, die in ihrer Arbeit Geschlechteraspekte untersuchen und damit das Verständnis von gesellschaftlichen Zusammenhängen auch über die Fachdisziplin hinaus ermöglichen.

Die Gesundheitswissenschaftlerin Céline Miani von der Universität Bielefeld widmet sich in ihrer Forschung den geschlechtsbezogenen gesundheitlichen Ungleichheiten und Gewalterfahrungen von Patientinnen in der Geburtshilfe und der gynäkologischen Versorgung. Dazu zählen beispielsweise medizinische Behandlungen, die ohne vorherige Einwilligung vorgenommen werden, die Nichtbehandlung von Geburtsschmerzen oder die Diskriminierung aufgrund von Verhütungs- und Kinderwunsch-Entscheidungen. Sie wurde in der mit 70.000 Euro dotierten Kategorie „Forschung plus“ von einer Fachjury ausgewählt. 

Strafrechtlerin Jara Streuer von der Universität Münster erhielt die Ehrung in der mit 35.000 Euro dotierten Nachwuchs-Kategorie „Impulse“. Sie befasst sich mit der völkerstrafrechtlichen Bedeutung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Relevant für die zugrundeliegenden Legal Gender Studies ist beispielsweise, inwiefern Menschen aufgrund ihres Geschlechts Opfer von struktureller Gewalt werden.

Beiden Preisträgerinnen ist es mit ihren Arbeiten in herausragender Weise gelungen, tabuisierte Themen der geschlechtersensiblen Forschung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu holen.

Wissenschaftsministerin Ina Brandes und die Namensgeberin des Preises, Rita Süssmuth, überreichten die Auszeichnungen am Mittwoch, 30. Oktober 2024, in der Staatskanzlei in Düsseldorf an die beiden Forscherinnen. 

Wissenschaftsministerin Ina Brandes: „In vielen Forschungsfeldern können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu noch exakteren Erkenntnissen gelangen, wenn sie die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei ihrer Arbeit berücksichtigen. Das gilt für die Medizin ebenso wie für die Rechtswissenschaften, Natur- und Technikwissenschaften. Prof. Dr. Céline Miani und Dr. Jara Streuer haben einen klaren Schwerpunkt in der geschlechtersensiblen Forschung gesetzt und wurden verdient von der Expertenjury für den Rita Süssmuth-Preis ausgewählt. Dazu gratuliere ich und bin zugleich gespannt auf die weiteren Forschungsergebnisse der beiden Preisträgerinnen.“

Rita Süssmuth hat mit ihrem Wirken in unterschiedlichen beruflichen Stationen als Erziehungswissenschaftlerin, Bundesministerin und Präsidentin des Deutschen Bundestages das Bewusstsein dafür geschärft, wie wichtig die Befassung mit dem Geschlecht und Geschlechterrollen für Wissenschaft und Gesellschaft ist. Sie hat sich damit große Verdienste um die Geschlechterforschung erworben, die an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen einen hohen Stellenwert und bundesweit Maßstäbe setzt.

Rita Süssmuth: „Wir Frauen wurden zu spät entdeckt und haben uns selbst zu spät in Stellung gebracht. Wir brauchen weiterhin erkenntnisreiche Frauen- und Geschlechterforschung. Was mir besonders wichtig ist, ist die Umsetzung in die Praxis. Wir Frauen haben Rückschritte erleben müssen, aber wir sind hellwach und kämpfen weiter.“

Die Preisträgerinnen

Professorin Dr. Céline Miani leitete bis September 2024 die Forschungsgruppe „Gender Epidemiologie“ in Bielefeld. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, die Verwendung von Gender-Konzepten über die Sozialepidemiologie hinaus auszuweiten und auf diese Weise schädliche Geschlechternormen und gesundheitliche Ungleichheiten zu bekämpfen. 2023 erhielt sie einen ERC Starting Grant für ihre Schwerpunktthemen: Gewalterfahrungen von Patientinnen der gynäkologischen Versorgung.

Céline Miani: „Es ist eine große Ehre, diesen Preis zu erhalten. Ich freue mich darauf, meine Forschung im Bereich Geschlecht und Gesundheit mit der Unterstützung des Preisgeldes fortzusetzen. Es gibt noch viel zu tun, um geschlechtsbezogene Ungleichheiten in der Gesundheit zu bekämpfen, und ich kann nur hoffen, dass meine Arbeit einen dauerhaften, sinnvollen Beitrag leisten wird, so wie es die Arbeit und das Engagement von Frau Professorin Süssmuth über Jahre hinweg getan hat.“

Dr. Jara Streuer befasst sich in ihrer Forschung mit den Themen Geschlecht und Gewalt aus rechtswissenschaftlicher und feministischer Perspektive. Ihre Forschung ist im Bereich der Legal Gender Studies angesiedelt, die das Recht mit Blick auf das Geschlecht und andere Diskriminierungsformen untersucht. Für ihre Dissertation hat sie zu Feminiziden – also zur Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts – geforscht und sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern Feminizide völkerstrafrechtlich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verstanden werden können. Sie ist an der Universität Münster beschäftigt und habilitiert sich am Institut für Kriminalwissenschaften.

Jara Streuer: „Der Rita Süssmuth-Forschungspreis ist eine ganz besondere Ehrung für mich, weil er nicht nur die bisherige Forschung einbezieht, sondern auch die zukünftigen Forschungspläne und -perspektiven auszeichnet, die durch das Preisgeld gleichzeitig ermöglicht werden. Geplant ist, das Preisgeld für den Wissenstransfer in die Praxis einzusetzen, einmal durch die Organisation von Veranstaltungen und Workshops zum Thema geschlechtsbezogene Gewalt für Praktikerinnen und Praktiker sowie durch die englischsprachige Übersetzung und Veröffentlichung meiner Forschungsergebnisse.“ 

Hintergrund

Die Geschlechterforschung ist thematisch und disziplinär breit gefächert. Ihre Inhalte reichen von theoretischen Analysen, zum Beispiel in Bezug auf Geschlechterrollen in unterschiedlichen Kulturen und Zeiten, bis hin zu anwendungsorientierten Forschungen, beispielweise bei der technischen Entwicklung von Crashtest-Dummys mit weiblichen Merkmalen. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen würdigt innovative Ansätze und wegweisende Erkenntnisse aller Fachbereiche und Forschungsthemen mit Geschlechterbezug, mit denen ein wesentlicher Beitrag zum Verständnis des jeweiligen Fachgebietes oder gesellschaftlicher Zusammenhänge geleistet wird.

Die Anträge wurden von einer Expertenjury bewertet, deren Mitglieder ihren Hochschulstandort außerhalb Nordrhein-Westfalens haben. Die Preisgelder werden zur Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit eingesetzt, wobei die Verwendung einen klaren Bezug zum Thema Nachwuchsförderung aufweisen muss.

Der Rita Süssmuth-Forschungspreis wurde erstmals 2019 unter dem Namen Genderforschungspreis ausgeschrieben und wird alle zwei Jahre durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen.

Preisträgerin Jara Streuer
  • Foto: Tobias Egelkamp
Preisträgerin Celina Miani
  • Foto: Universität Bielefeld

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