NRW-Kulturministerin: "Kunst und Kultur darf man nicht kaputt sparen"
dpa-Interview: "NRW-Kulturministerin: "Kunst und Kultur darf man nicht kaputt sparen". Interview: Dorothea Hülsmeier, dpa
Interview: Dorothea Hülsmeier / dpa, 26.06.2012
Kritik an der Bundeskunsthalle in Bonn, Opernstreit in Köln, die "Opernehe" Düsseldorf Duisburg ist gerade so gerettet - Die NRW-Kultur macht derzeit nicht eben "bella figura".
Ute Schäfer: "Dass es die eine oder andere Querele gibt, ist so ungewöhnlich nicht. Wir machen in NRW mit der Kultur sehr wohl "bella figura", weil wir eine unglaublich dichte Kulturlandschaft haben, die international eine hohe Anerkennung findet."
Nimmt der Ruf der NRW-Kultur Schaden durch diese Krisen und Skandale?
Schäfer: "Ich denke schon, dass die Auseinandersetzung in Köln zwischen der Stadt und Opernintendant Uwe Eric Laufenberg dem Ruf als Kulturstadt schadet. Insofern muss man sich gut überlegen, ob man so einen Streit öffentlich austrägt oder versucht, wie in einer guten Familie auch, sich an einen Tisch zu setzen und Lösungen zu finden."
Und der Streit um die Bundeskunsthalle in Bonn, die eine Ausstellung eines privaten Sammlers groß präsentiert und wo der Museumsleiter Fleck nach andauernder Kritik gehen muss?
Schäfer: "Eine solche Ausstellung ist ein Kulturbruch, der kritisch wahrgenommen und diskutiert wird. Das kann ich sehr gut verstehen. Da geht es um die Frage der Arbeitsethik. Hier hat jemand mit einer Tradition Ausstellungen zu machen, zu kuratieren und zu begleiten, gebrochen. Das stößt auf Kritik."
Sie haben in den vergangenen zwei Jahren mehrere kulturpolitische Dialoge geführt. Was ist das Ergebnis?
Schäfer: "Dass NRW in Kunst und Kultur bundesweit nicht so wahrgenommen wird, wie wir uns das wünschen würden. NRW ist ein Land der Städte mit ganz unterschiedlichen Akzenten. Aber wir müssen anfangen, unsere eigene Geschichte zu erzählen, weil so viele bedeutende Künstlerinnen und Künstler aus unserem Bundesland kommen. International wird das sehr beachtet, aber national verkaufen wir uns immer noch unter Wert."
Wie wollen Sie NRW denn bundesweit stärker hervorheben?
Schäfer: "Wir müssen selbstbewusst sein mit dem, was wir haben. Zum Beispiel ist die Ruhrtriennale ein außerordentliches und international beachtetes Festival, und wir haben hervorragende Kulturbotschafter wie zum Beispiel die Pina Bausch-Compagnie. Das Problem ist, dass wir keine Zeitung haben, die ganz NRW mit einem eigenen Feuilleton begleitet. Das ist unser Manko. Daran wird aber auch ein Kulturministerium nichts ändern können."
Viele Städte müssen im Zuge des Stärkungspakt Stadtfinanzen derzeit radikal sparen. In Moers ist das renommierte Jazz-Festival bedroht, die Opernehe Düsseldorf/Duisburg ist mit Ach und Krach gerettet worden. Wie wollen Sie die Leuchttürme der Kultur retten?
Schäfer: "Zum einen haben wir keine Krise in der Kultur, wir haben eine kommunale Finanzkrise. Und wir haben in NRW die Tradition, dass die Hauptträger von Kunst und Kultur die Städte und Gemeinden sind.
Deshalb müssen wir als Land vor allem eines tun: die Kommunalfinanzen stabilisieren. Das haben wir mit dem Stärkungspakt und der Ausschüttung von viel Geld im Gemeindefinanzierungsgesetz gemacht."
Aber die Finanzkrise geht auf Kosten der Kultur.
Schäfer: "Der Stärkungspakt gibt gefährdeten Kommunen jetzt wieder mehr Handlungsfähigkeit. Und da sage ich ganz klar: Wer meint, dass er mit einem zusammengekürzten Kulturetat den Haushalt grundsätzlich sanieren kann, der irrt. Der Kulturetat ist anteilsmäßig nicht so entscheidend."
Damit wollen Sie also sagen: Spart nicht die Kultur kaputt?
Schäfer: "Ich kann nur mahnen. Ich glaube nicht, dass wir es uns als Land oder Stadt erlauben können, einen Weg ohne Kunst und Kultur zu beschreiten. Wir müssen nach vorn denken. Künstler sind wichtige Impulsgeber für die Gesellschaft. Darauf kann man nicht verzichten."
Wäre es nicht denkbar, ein Staatsballett, ein Staatsschauspiel zu gründen wie in anderen Bundesländern?
Schäfer: "Staatsballett oder Staatstheater kann ich mir auf absehbare Zeit nicht vorstellen. Wir haben eine andere Kulturförder-Tradition als andere Bundesländer. Es war den großen Städten in NRW sehr wichtig, ihre eigenen Orchester und Theater zu haben. Nur deshalb ist in NRW eine so dichte Kulturlandschaft entstanden. Jetzt allerdings kann man nicht nach Jahrzehnten plötzlich sagen: So, liebes Land, nun übernimm du mal."
Die Tariferhöhungen schnüren den Theatern die Luft ab ...
Schäfer: "Das war vor zwei Jahren der Grund für das Entstehen des Theaterpaktes. Die Betriebskosten sind so immens, dass für Kunst nicht mehr genug Raum ist. 4,5 Millionen Euro haben wir deshalb den Theatern 2011 zusätzlich zur Verfügung gestellt. Und wir haben sehr positive Rückmeldungen erhalten."
Wird der Theaterpakt weitergeführt?
Schäfer: "Der Theaterpakt wird weitergeführt. Die nächste Theaterkonferenz ist im November. Wir haben den gleichen Ansatz von 4,5 Millionen Euro auch im Haushalt 2012 eingestellt. Die Theater können selbstverständlich mit dem Geld rechnen."
Ihre Schwerpunkte in der Kulturpolitik in der neuen Legislaturperiode?
Schäfer: "Aus den kulturpolitischen Dialogen und Regionalkonferenzen im ganzen Land wird das Kulturfördergesetz entstehen. Das ist im Koalitionsvertrag auch so vereinbart."
Worum geht es da?
Schäfer: "Es geht um stabile Förderrahmenbedingungen für Kunst und Kultur in NRW und auch um die Vereinfachung von Anträgen. Auch die Frage, was die Aufgabe der Kulturpolitik eines Landes ist, wird sich darin dokumentieren. Zudem wollen wir in der Förderung von jungen Künstlerinnen und Künstlern Akzente setzen."
Weil die Abwanderung nach Berlin so stark ist?
Schäfer: "Das ist nicht mehr so. Die Galerien etablieren sich wieder stärker hier. Einige, die in Berlin waren, kommen schon wieder zurück. Und wir haben Magneten wie die Kunstakademie in Düsseldorf."