Neues Lagebild: Phänomen Clankriminalität größer und gefährlicher als bislang bekannt
Jedes fünfte OK-Verfahren mit Clan-Bezug − Reul: Ein Teil der Clans spielt in der gleichen Liga wie die Mafia
Minister Herbert Reul hat das neue Lagebild „Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen 2019“ vorgestellt.
Minister Herbert Reul hat heute (17. August 2020) das neue Lagebild „Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen 2019“ vorgestellt. Insgesamt verzeichnet die Analyse des Landeskriminalamtes für das vergangene Jahr 111 aktive Clans und rund 3.800 Tatverdächtige, die mehr als 6.100 Straftaten in Nordrhein-Westfalen begangen haben. „Wir haben es hier mit Kriminellen und Schwerkriminellen zu tun. Es geht unter anderem um Raub, Betrug und Organisierte Kriminalität. Das zeigt: Ein Teil der Clans spielt in der gleichen Liga wie die Mafia“, sagte der Minister.
Im vergangenen Jahr hatte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen als erste Behörde bundesweit ein Lagebild zum Phänomen Clankriminalität veröffentlicht. Auch wenn die Zahlen wegen methodischer Unterschiede nur eingeschränkt vergleichbar sind, verzeichnet die nordrhein-westfälische Polizei bereinigt einen Zuwachs von 12,7 Prozent bei den Straftaten und 13,4 Prozent bei den Tatverdächtigen gegenüber dem Vorjahr. „Je mehr wir ermitteln, desto mehr Licht bringen wir in das Dunkelfeld dieser Machenschaften. Die Steigerung der Zahlen deckt sich also mit unserer Erwartung“, so Reul.
Mehr noch als die Quantität wirft das neue Lagebild einen Blick auf die Qualität der Straftaten durch Mitglieder krimineller Clans. So fallen rund 32 Prozent aller begangenen Straftaten in die Kategorie „Rohheitsdelikte“. Das sind Körperverletzungen, Bedrohungen, Nötigungen bis hin zu versuchten Tötungsdelikten. Etwa 15 Prozent aller begangenen Straftaten sind Betrugsdelikte, 14 Prozent der Straftaten sind Verkehrsstraftaten, die neu in den clanspezifischen Tatbestandskatalog aufgenommen wurden, wie etwa Fahren ohne Führerschein, Unfallflucht oder die Gefährdung des Straßenverkehrs durch illegale Rennen. „Straftaten, die deutlich machen, wie wenig sich diese Leute um die grundlegenden Regeln unserer Gesellschaft scheren“, so Reul.
Ein besonderes Augenmerk legt die diesjährige Fortschreibung des Lagebilds auf den Bereich der Organisierten Kriminalität. Insgesamt haben das Landeskriminalamt und die Kreispolizeibehörden in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr 73 Ermittlungsverfahren in diesem Bereich geführt. In 15 dieser Verfahren spielten türkisch-arabischstämmige Clanfamilien die zentrale Rolle, also bei rund 20 Prozent. In elf dieser Verfahren drehte es sich um Rauschgift. „Wir sehen daran, wie breit die kriminellen Teile der Clanfamilien aufgestellt sind, und wie sehr sie hier in den vergangenen Jahrzehnten Fuß gefasst haben“, sagte Reul.
In den 15 Verfahren konnten insgesamt 478 Tatverdächtige identifiziert werden. Die Polizei nahm 35 Tatverdächtige vorläufig fest und erwirkte gegen 32 von ihnen Haftbefehle. In sieben Verfahren gelang es der Polizei, durch Finanzermittlungen den Tatertrag festzustellen: Insgesamt 6,4 Millionen Euro, von denen 1,4 Millionen Euro abgeschöpft werden konnten. Die Polizei konnte außerdem drei Kilogramm Heroin, fast fünf Kilogramm Kokain und 28 Kilogramm Marihuana sicherstellen. 16 hauptverantwortliche Tatverdächtige wurden zu Haftstrafen von zwei bis zehn Jahren verurteilt. „Wir dringen langsam in die Tiefe vor. Und das ist wirklich nicht leicht, weil kriminelle Clans eine verschworene Gemeinschaft sind, an die sie nicht so einfach rankommen“, so der Minister.