Ministerpräsident Armin Laschet hält Ansprache an Bürgerinnen und Bürger anlässlich der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen
Ministerpräsident Laschet: Wenn man alles verloren hat, ist das Einzige, was einem bleibt, die Hilfe der Anderen
Anlässlich der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen wendet sich Ministerpräsident Armin Laschet in einer Ansprache am Sonntag, 18. Juli 2021, an die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen. Die fünfminütige Ansprache wird um 19.55 Uhr im WDR Fernsehen ausgestrahlt.
Anlässlich der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen wendet sich Ministerpräsident Armin Laschet in einer Ansprache am Sonntag, 18. Juli 2021, an die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen. Die fünfminütige Ansprache wird um 19.55 Uhr im WDR Fernsehen ausgestrahlt.
Die Ansprache im Wortlaut:
Wenn man alles verloren hat, ist das Einzige, was einem bleibt, die Hilfe der Anderen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
was ich in den letzten Tagen gesehen und gehört habe, übersteigt jede Vorstellungskraft. Die Bilder unserer verwüsteten Heimat werden uns alle nicht mehr loslassen.
In welcher Geschwindigkeit und mit welcher Wucht die Wassermassen Existenzen zerstört und Leben vernichtet haben, ist unvorstellbar und doch Realität.
Und die Katastrophe ist noch nicht vorbei. Noch immer sind zehntausende Menschen ohne Strom oder Trinkwasser, immer noch sind über 20.000 Helferinnen und Helfer im Einsatz, viele Menschen gelten noch als vermisst. An vielen Orten steht noch das Wasser, viele Häuser sind akut einsturzgefährdet – und ich bitte Sie eindringlich: bringen Sie sich nicht in Gefahr!
In Nordrhein-Westfalen haben mindestens 46 Menschen ihr Leben verloren, in unserer ganzen Region mit Rheinland-Pfalz, Belgien und den Niederlanden sind es inzwischen mehr als 200.
Ich denke an Oliver Diehl, 46 Jahre alt, Feuerwehrmann in Altena. Als er auf dem Weg war, Menschen zu retten, wurde er selbst von den Fluten weggerissen.
Ich habe heute mit seiner Frau gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass ihr Mann jungen Menschen Werte vermitteln wollte. Er wollte ein Vorbild sein. Er ist noch mehr. Er ist ein Held. Er steht stellvertretend für die Tausenden, die jeden Tag ihren Dienst tun und Leib und Leben riskieren. Und er ist nicht der einzige Helfer, der ums Leben gekommen ist.
Vor einigen Tagen traf ich eine junge Frau in Stolberg, die mich in die Wohnung ihrer Mutter führte. Ein einziger Trümmerhaufen. Sie lebte von den Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann, die Möbelstücke, die Fotoalben, sie hat alles verloren.
Heute hat mir der Bürgermeister von Stolberg erzählt, dass er sie getroffen hat – sie ist bereits wieder unterwegs, um anderen Menschen zu helfen.
In Erftstadt brach ein Pferdebesitzer in Tränen aus, als er mir erzählte, wie er noch untertauchend versucht hat, die Pferdeboxen zu öffnen, damit die Tiere herausschwimmen konnten.
Und das alles passiert auch noch mitten in der Pandemie. Viele Menschen, die durch Corona ohnehin schon vereinsamt sind, hatten Hoffnung geschöpft – ihnen hat die Flut auch noch das letzte unter den Füßen weggerissen. Auf diese Menschen müssen wir jetzt besonders achten.
Ich bin tief beeindruckt über die beispiellose Hilfsbereitschaft in unserem Land Nordrhein-Westfalen. Menschen stehen zusammen – in den großen und den kleinen Schicksalen.
Zu Hunderten gehen die Menschen in die Katastrophengebiete, mit Pumpen, Generatoren, Wasserfässern – oder einfach nur mit Lappen, Besen und Schaufel und packen an.
Selten ist mir der Sinn des Wortes „Mit-Bürger“ so deutlich geworden. Es ist bürgerlich sich für das Wohl der anderen einzusetzen – nicht nur an sich zu denken, sondern an die Gemeinschaft. Dieses bürgerschaftliche Engagement, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder im Verein, von manchen zuweilen belächelt, ist lebensrettend.
Es macht mich daher wütend, wenn ich höre, dass gerade jetzt Menschen in ihre verwüsteten Häuser zurückkehren und feststellen, dass Plünderer das wenige gestohlen haben, was ihnen noch geblieben ist.
In Eschweiler sind drei Verdächtige verhaftet worden. Sie sitzen bereits in Untersuchungshaft. Wir werden ein solches Verhalten nicht dulden.
Als Land tun wir alles, um jetzt die direkten Auswirkungen der Katastrophe in den Griff zu bekommen. Die Krisenstäbe tagen rund um die Uhr.
Die Wunden dieser Tage werden wir aber noch lange spüren. Der Wiederaufbau wird Monate, ja Jahre dauern.
Eine Katastrophe von nationaler Tragweite braucht auch eine schnelle nationale Antwort. Daran arbeite ich unter Hochdruck mit den Kolleginnen und Kollegen in der Landes- und der Bundesregierung. Mit den Vertretern der betroffenen Städte und Gemeinden will ich in dieser Woche zusammenkommen, um zu beraten, wie wir die Finanzhilfen ausgestalten, um schnell unsere Heimat wiederaufzubauen.
Drei Dinge sind jetzt wichtig:
Erstens: Wir müssen akut und in der Not helfen. Das tun wir – mit allem, was wir können, so schnell es geht.
Zweitens müssen wir alles tun, um unsere Heimat vor künftigen Unwetterereignissen zu schützen. Wir müssen Dämme bauen, Rückhaltebecken, Wasserreservoirs, Flächen renaturieren – Schutz nicht nur am Rhein, sondern auch an den großen und den vielen kleinen Flüssen überall im Land.
Kurz: Natur, Umwelt, Leib und Leben schützen - quasi das Immunsystem unserer Heimat stark machen, damit wir besser gegen Wetterextreme gewappnet sind.
Und drittens: Die Häufigkeit und die Wucht solcher Katastrophen sind auch eine Folge des Klimawandels. Den müssen wir hier und weltweit schneller und konsequenter bekämpfen. Das Klima gewährt keinen Aufschub.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
der Bundespräsident hat gestern gesagt, dass vielen nur eines geblieben ist: die Hoffnung – und die dürfen wir jetzt nicht enttäuschen. Ich wünsche Ihnen viel Kraft, halten Sie durch. Ich verspreche Ihnen, wir lassen Sie nicht allein!
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