Gütliche Einigung! Campendonk-Gemälde bleibt in Krefeld
Bund, Land und Kulturstiftung der Länder unterstützen Rückkauf von der Erbin
Dank einer gütlichen Einigung bleibt das Gemälde „Wirtshaus“ des Malers Heinrich Campendonk (1889-1957) den Kunstmuseen Krefeld erhalten.
Dank einer gütlichen Einigung bleibt das Gemälde „Wirtshaus“ des Malers Heinrich Campendonk (1889-1957) den Kunstmuseen Krefeld erhalten. Das Ölgemälde des Krefelder Künstlers gehörte ursprünglich zur Sammlung des jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess. Gemeinsam mit der Erbin wurde eine Lösung gefunden: Das Gemälde wurde zurückgegeben; gleichzeitig konnte ein Rückkauf vereinbart werden. Diese „faire und gerechte Lösung“ im Sinne der Washingtoner Prinzipien ermöglichten auch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Land Nordrhein-Westfalen und die Kulturstiftung der Länder.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Das ‚Wirtshaus‘ zeigt beispielhaft Campendonks Talent, alltäglichen Szenen mit lebendigen Farben und expressiven Formen auf der Leinwand eine tiefe Bedeutsamkeit zu verleihen. Nicht umsonst zählt es zum Kanon einer der bedeutendsten Kunstepochen. Deshalb hat der Bund den Ankauf gern unterstützt. Den Erben danke ich sehr herzlich für ihre Bereitschaft, dieses einzigartige Werk der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen. Mit seiner Provenienz fügt es insbesondere der Erinnerung an die Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein bedeutendes Zeugnis hinzu.“
Kulturministerin Ina Brandes: „Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber neues Unrecht kann verhindert werden. Und genau das geschieht mit der nun gefundenen Einigung zum Gemälde ‚Wirtshaus‘ von Heinrich Campendonk. Ich bin sehr dankbar, dass das Werk auch zukünftig in Krefeld zu sehen ist. Mit jeder einzelnen Rückgabe eines Werkes erkennen wir das Unrecht an, das den jüdischen Vorbesitzerinnen und Vorbesitzern durch das NS-Regime angetan wurde. Das Land Nordrhein-Westfalen ist sich dieser Verantwortung sehr bewusst! Deshalb haben wir mit der Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen eine bundesweit einzigartige Stelle geschaffen, die Museen, Archiven, Bibliotheken sowie dem Kunsthandel und Privatpersonen bei Fragen zur Herkunft geraubter Kunstwerke Expertise und Hilfe anbietet.“
Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Heinrich Campendonks Gemälde ‚Wirtshaus‘ steht für eine entscheidende Schaffensphase eines der bedeutendsten Vertreter des Rheinischen und deutschen Expressionismus. Seine enge Verbindung zu Krefeld macht den Verbleib in der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld besonders stimmig. Es freut mich, dass die Kulturstiftung der Länder erneut erfolgreich die Erwerbung eines herausragenden Gemäldes im Rahmen einer fairen und gerechten Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien unterstützen konnte.“
Direktorin Katia Baudin: „Es war uns eine Herzensangelegenheit, dieses herausragende Werk für die Sammlung zu erhalten. Wir sind sehr froh und dankbar, dass wir gemeinsam mit der Erbin und mit Unterstützung unserer Förderer eine solche Lösung finden konnten. Die Erforschung der Herkunft von Sammlungsobjekten und der verantwortungsvolle Umgang mit diesem kulturellen Erbe ist für uns gleichermaßen Verpflichtung und ein Kern der Museumsarbeit. In den letzten Jahren konnten wir bereits verschiedene Konvolute der Sammlung hinsichtlich ihrer Provenienz untersuchen lassen und setzen diese Aufarbeitung systematisch fort.“
Das Gemälde „Wirtshaus“ von 1917 ist nicht nur kunstgeschichtlich wertvoll, seine Biographie ist auch eine Bereicherung für die museale Erinnerungsarbeit sowie die politische Bildung: Es kann hervorragend Anlass geben, die Biographien der Familie Hess im kollektiven Gedächtnis zu bewahren, Fragestellungen des unrechtmäßigen Kulturgutentzuges, der Herkunftsforschung sowie den damit verbundenen Herausforderungen und Schwierigkeiten grundsätzlich anzusprechen und zu vermitteln.
Gemeinsam mit der rechtmäßigen Erbin nach Tekla und Hans Hess konnte eine gerechte und faire Lösung gefunden werden. Der Einigung vorausgegangen sind umfangreiche, mehrjährige Provenienzforschungen durch ausgewiesene Expertinnen und Experten. Beteiligt war auch die Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen (KPF.NRW). Sie hat weitergehende Forschungen konkretisiert sowie davon ausgehend führt sie einen fachlichen Austausch mit weiteren betroffenen Museen. Die KPF.NRW ist ein praktischer Knotenpunkt zum Thema Herkunftsforschung in Nordrhein-Westfalen, bündelt Wissen, vernetzt Akteure und setzt sich für nachhaltige Wissensstrukturen ein. Provenienzforschung ist in Nordrhein-Westfalen zudem gesetzlich verankert (§5 Kulturgesetzbuch). Museen, Archive und Bibliotheken haben darüber hinaus die Möglichkeit im Rahmen des Förderprogramms „Provenienzen NRW“ Provenienzrecherchen sowie Projekte der Herkunftsforschung zu beantragen.
Das Gemälde und seine Geschichte
Alfred Hess war ein bekannter Kunstsammler und Mäzen, der eine der bedeutendsten Sammlungen expressionistischer Kunst in Deutschland aufgebaut hatte. Als er 1931 starb, wurde er von seinem Sohn Hans Hess beerbt. Als jüdische Familie gehörten Alfred Hess‘ Frau Tekla und sein Sohn Hans zu den Kollektivverfolgten des Deutschen Reiches. Hans Hess emigrierte wenige Monate nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft aus Deutschland zunächst nach Frankreich und später weiter nach Großbritannien, wohin ihm seine Mutter 1939 folgte. Die Kunstsammlung verbrachte sie 1933 in Teilen auf Freipass – einer temporären Ausfuhrgenehmigung – in die Schweiz, zunächst nach Basel und später nach Zürich, darunter auch das Gemälde „Wirtshaus“ von Campendonk. Im März 1937 sandte sie das Gemälde zusammen mit anderen Werken zurück nach Deutschland an den Kölnischen Kunstverein.
Im Sommer 1947 teilte der Kölnische Kunstverein auf Nachfrage mit, dass die ehemals eingelagerten Bilder nicht mehr vorhanden seien. Erst im sogenannten "Kölner Fälscherprozess" 1949/50 wurde bekannt, dass sich Dritte einige der vermeintlich zerstörten Bilder angeeignet und sie unter der Hand verkauft hatten. Das gegenständliche Gemälde wurde im Prozess nicht erwähnt. Spätestens im März 1947 fand es sich im Besitz des Kölner Kunsthändlers Werner Rusche wieder, der es im Februar 1948 dem Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld zum Kauf anbot. Informationen zur Provenienz des Gemäldes lagen dem Museum beim Ankauf nicht vor.
In Würdigung der Gesamtumstände hat die Stadt Krefeld mit der rechtmäßigen Erbin eine gerechte und faire Lösung gefunden. Sie beruht auf zwei Grundlagen: den Grundsätzen der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden („Washingtoner Prinzipien") und der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom 9. Dezember 1999 („Gemeinsamen Erklärung").
Heinrich Campendonk, der zeitlebens seiner Heimatstadt und dem Kaiser Wilhelm Museum eng verbunden blieb, ist in der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld mit Werken aus allen Schaffensphasen vertreten, allerdings nur mit drei Gemälden aus der prägenden Zeit vor 1920. Das 1917 entstandene „Wirtshaus“ gehört zur wichtigen Übergangsphase, in der sich Campendonk von den Einflüssen der Künstlergruppe Blauer Reiter löst. Sein Pendant, das Gemälde „Die Armen“ von 1918, befindet sich ebenfalls in der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld.