Erinnerung an den Majdanek-Prozess: Staatssekretär Kaiser eröffnet Abschlussveranstaltung in Düsseldorf
Podiumsdiskussion mit Prozessbeteiligten in der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf
Vor rund 40 Jahren fand in Düsseldorf einer der größten NS-Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik statt: 15 ehemalige Angehörige der SS-Wachmannschaften des Konzentrationslagers Majdanek mussten sich vor dem Düsseldorfer Landgericht für den Mord an zehntausenden Menschen verantworten. Mit einer Veranstaltungsreihe haben jetzt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und die Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt Düsseldorf an den Majdanek-Prozess (1975–1981) erinnert.
Vor rund 40 Jahren fand in Düsseldorf einer der größten NS-Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik statt: 15 ehemalige Angehörige der SS-Wachmannschaften des Konzentrationslagers Majdanek mussten sich vor dem Düsseldorfer Landgericht für den Mord an zehntausenden Menschen verantworten. Mit einer Veranstaltungsreihe haben jetzt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und die Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt Düsseldorf an den Majdanek-Prozess (1975–1981) erinnert. Den Abschluss bildete heute – wenige Wochen vor dem 80. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November – eine Podiumsdiskussion mit Juristen, die am Prozess beteiligt waren. Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft, eröffnete die Veranstaltung im Leo-Baeck-Saal der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.
„Heute - rund 40 Jahre nach dem Majdanek-Prozess - setzen wir uns als Gesellschaft erneut intensiv mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Wir alle sind zur Wachsamkeit aufgerufen, weil antisemitische Stimmungen und Handlungen wieder in den Alltag eingekehrt sind“, sagte Staatssekretär Kaiser. „Die Fragen danach, wer die Täter waren, die eigenhändig viele Menschen getötet haben oder das Töten befohlen haben, welche Umstände sie zu Tätern gemacht haben und welche Handlungsspielräume sie hatten, sind von großer Relevanz. Denn sie stellen die Frage nach der persönlichen Verantwortung. Das ist die Kernfrage, die einer juristischen und moralischen Aufarbeitung immer zu Grunde liegen muss.“
Der Prozess gegen ehemalige Angehörige der SS-Wachmannschaften des KZ Majdanek begann am 26. November 1975 vor dem Düsseldorfer Landgericht an der Mühlenstraße. Er sollte zu einem der längsten und aufwändigsten Verfahren in der deutschen Justizgeschichte werden. Mehr als 350 Zeugen aus dem In- und Ausland wurden gehört, darunter auch 215 ehemalige Häftlinge, die sich noch einmal mit den schrecklichen Erlebnissen ihrer KZ-Haft auseinandersetzen mussten. Am 30. Juni 1981 verkündete das Gericht die Urteile: Von den Angeklagten wurde nur die Aufseherin Hermine Braunsteiner-Ryan zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Zehn Jahre Haft erhielt der Hauptangeklagte SS-Hauptsturmführer Hermann Hackmann. Auch Freisprüche waren unter den Urteilen, die von der Öffentlichkeit als zu milde empfunden wurden. Immer wieder kam es zu Protestaktionen und Demonstrationen während des Verfahrens und nach der Urteilsverkündung.
Die Veranstaltungsreihe „Der Düsseldorfer Majdanek-Prozess, die Justiz und die NS-Verbrechen“ hat das Verfahren „XVII – 1/75 (S) gegen Hackmann u.a.“ vom 20. September bis 4. Oktober aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen. Bei der abschließenden Podiumsdiskussion „Im Schwurgerichtssaal L 111 – Der Majdanek-Prozess und seine Folgen aus Sicht von Prozessbeteiligten“ ging es um den juristischen Umgang mit NS-Verbrechen und dem Holocaust insgesamt – und um persönliche Erinnerungen, Erlebnisse und Bewertungen von damaligen Vertretern der Staatsanwaltschaft und Verteidigung.
Moderator Hans Leyendecker, ehemaliger Investigativ-Journalist der Süddeutschen Zeitung, diskutierte mit Oberstaatsanwalt a.D. Wolfgang Weber, damals Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Rechtsanwalt Dieter Hanschel, damals Pflichtverteidiger, und Dr. Philipp Ambach, Sohn des damaligen weiteren Staatsanwalts Dieter Ambach und selbst Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, sowie Jens Rommel, Leitender Oberstaatsanwalt, Leiter der Zentralen Stelle der Landejustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg.
Der Majdanek-Prozess war der letzte und längste Prozess zu den Massenmorden in den Todeslagern. Richter und Staatsanwälte gehörten einer Generation an, die zwischen 1930 und 1940 geboren war - also nicht in Machenschaften des Regime verstrickt war. Die Richter des Majdanek-Prozesses bemühten sich, die individuelle Schuld nachzuweisen, was selbst mit Hilfe der über 300 aus dem Ausland angereisten Zeugen nicht immer gelang. Befangenheitsanträge seitens offen rechtsradikaler Täter-Anwälte, Anschuldigungen gegenüber Holocaust-Überlebenden, Verfahrenseinstellungen und zum Teil milde Urteile erregten immer wieder die Öffentlichkeit.
Die komplette Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs zu der Abschlussveranstaltung finden Sie hier (Freischaltung ab 18.00 Uhr).
Das Lager Lublin-Majdanek
Das ab Juli 1941 als Konzentrationslager eingerichtete Lager Majdanek lag direkt am Stadtrand von Lublin im besetzten „Generalgouvernement“. Das Lager, das im deutschen amtlichen Schriftverkehr als „K.L. Lublin-Majdanek“ bezeichnet wurde, diente bis zu seiner Befreiung durch die Rote Armee im Juli 1944 verschiedenen Zwecken: Es war Arbeits- und Konzentrationslager, immer wieder aber auch eine reine Tötungs- und Vernichtungsstätte. Neben der Nutzung von mehreren Gaskammern, in denen vorwiegend Juden mit Kohlenmonoxyd und dem Gift Zyklon B ermordet wurden, und einem großen Krematorium fanden auch Massenerschießungen statt. Der millionenfache Mord an den polnischen Juden („Aktion Reinhardt“) wurde durch die „Aktion Erntefest“ im November 1943 unter anderem in Majdanek abgeschlossen: Die SS erschoss dort an einem Tag rund 18.000 Menschen. Unter den Opfern des Lagers Lublin-Majdanek waren Juden, nichtjüdisch-polnische Häftlinge und sowjetische Kriegsgefangene. Aktuelle Schätzungen gehen insgesamt von 78.000 Opfern aus, darunter etwa 59.000 Juden. Viele bauliche Bestandteile wurden im Sommer 1944 gesprengt oder zerstört. Seit 1947 unterhält der polnische Staat eine Gedenkstätte auf dem ehemaligen Lagergelände.Gedenkstättenbesuche des Parlamentarischen Staatssekretärs
Um sich ein Bild von der Erinnerungsarbeit in Nordrhein-Westfalen zu machen, besucht Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft, alle 28 NS-Gedenkstätten im Land.Die nächsten Termine
5. November: Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf7. November: Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
21. November: Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen
19. Dezember: Villa Merländer, Krefeld