Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren im Ausschuss für Kultur und Medien am 27. September 2012
Ich bedanke mich für die Gelegenheit, Ihnen die medienpolitischen Schwerpunkte unserer Arbeit in der 16. Legislaturperiode vorstellen zu dürfen.
Ich bedanke mich für die Gelegenheit, Ihnen die medienpolitischen Schwerpunkte unserer Arbeit in der 16. Legislaturperiode vorstellen zu dürfen.
Sie werden jetzt vielleicht überrascht sein, aber ich will meine Einführung mit einigen ganz nüchternen Zeitangaben eröffnen:
- vier Stunden und zwei Minuten;
- drei Stunden und elf Minuten;
- eine Stunde und 23 Minuten und
- 39 Minuten.
Das, meine Damen und Herren, sind die Zeitbudgets, die in Deutschland alle Personen ab 14 Jahre im Durchschnitt in die Nutzung verschiedener Medien investieren:
- vier Stunden und zwei Minuten verbringen die Deutschen beim Fernsehen,
´- drei Stunden und elf Minuten beim Radiohören,
- eine Stunde und 23 Minuten entfallen auf das Internet und
- knapp 39 Minuten auf Tageszeitungen.
Diese Zeitangaben - die übrigens pro Tag gelten! – lassen erahnen, welchen Einfluss die Medien auf die Menschen in unserem Land haben, auf ihre Einstellungen, ihre Gewohnheiten, ihr Weltbild.
Zudem beeinflussen die Medien manchmal sehr deutlich sichtbar das Weltgeschehen. Das hat zum Beispiel die Rolle von Social Media und Blogs in der Arabischen Revolution eindrücklich gezeigt.
Und weil der gigantische Medienhunger der Menschen täglich aufs Neue bedient und gefüttert werden muss, sind die Medien nicht nur ein zentraler Faktor der öffentlichen Meinungsbildung. Sie sind zugleich auch eine Wirtschaftsbranche mit Milliarden-Umsätzen und mehreren hunderttausend Beschäftigten allein hier bei uns in NRW.
Nicht zuletzt aber sind die Medien auch ein wesentlicher Kulturfaktor; sie sind Ausdruck und Impulsgeber unserer Kultur. Ich meine damit nicht nur das Feuilleton der Tageszeitung. Ich verstehe die Medien als zentrales Element unserer Alltagskultur, mit allen denkbaren Facetten. Dazu gehört die Telenovela im Fernsehen, das Radiofeature, die digitalen Spiele oder auch unser inzwischen großes audiovisuelles Erbe vom Stummfilm eines Fritz Lang bis zur aktuellen Wim-Wenders-Dokumentation über die Tanzlegende Pina Bausch.
Medien und Mediennutzung prägen unsere Gesellschaft und unsere Kultur.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich sehr, dass die Zuständigkeit für die Medienpolitik in der 16. Legislaturperiode in einem gemeinsamen Kultur- und Medienausschuss verortet ist. Ich verspreche mir von dieser neuen Zuordnung viele interessante und zukunftsweisende Anregungen und Impulse. Seien Sie sicher: Vor uns liegt eine spannende Zeit!
Was sind nun die Ziele unserer Medienpolitik? Ich will Ihnen drei zentrale Anliegen nennen. Wir wollen
1. Qualität und Vielfalt der medialen Angebote fördern;
2. Kompetenz und Partizipation im Medienbereich ausbauen und
3. den Medienstandort NRW stärken.
Wie lassen sich diese Ziele erreichen?
Ich möchte ihnen fünf Leitprojekte vorstellen, die wir für die medienpolitische Arbeit in der 16. Legislaturperiode definiert haben und mit denen wir unsere medienpolitischen Vorstellungen in konkrete Prozesse überführen.
1. Medienrecht (Gesetzgebung auf Landesebene, aber auch Gesetzgebungsprozesse der Länder und des Bundes);
2. Medienkompetenz;
3. Digitales Medienland NRW;
4. Stiftung Vielfalt und Partizipation;
5. Fortentwicklung des Grimme-Instituts als Diskursforum für die digitale Gesellschaft.
II.
Leitprojekt Medienrecht
Wir werden in dieser Legislaturperiode verschiedene Gesetzesänderungen angehen.
Sie betreffen im Einzelnen:
· das Landesmediengesetz;
· das WDR-Gesetz;
· das Landespressegesetz;
· bundesgesetzliche Regelungen (z.B. Telekommunikationsgesetz oder Telemediengesetz);
· vor allem aber auch rundfunkstaatsverträgliche Regelungen zwischen den Ländern.
Dabei lauten die Schwerpunkte:
· Stärkung von Profil und Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebotes (Reduzierung der Werbung, Ausweitung der Netz-Angebote);
· Stärkung der Aufsichtsgremien bei der LfM und beim WDR;
· Stärkung der Bürgermedien;
· Förderung von Transparenz und Partizipation u.a. durch die Wiedereinführung der Medienversammlung NRW;
· und praktiziertes „Open Government“ im Rahmen der Novellierungsvorhaben.
Bereits in diesen Tagen starten wir mit der Vorbereitung der Novellierung des Landesmediengesetzes. Dies wird ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt in 2012 und 2013.
Im Prozess der Novellierung des Landesmedienrechts werden wir alle Interessierten mit einer Online-Konsultation und Anhörungen in den Prozess einbinden. Die ersten Gespräche haben schon begonnen.
Die Landesregierung will dabei insbesondere auch diesen Ausschuss informieren und beteiligen, durch fortlaufende Berichte und auch durch Einladungen an die Medienpolitischen Sprecher aller Fraktionen, sich in den Prozess mit einzubringen.
Ein weiterer Bereich, den wir im Länderkreis aktiv anstoßen wollen, ist die Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir werden uns dafür einsetzen, dass hochwertige Inhalte auch über die derzeitige Grenze von sieben Tagen hinaus für Bürgerinnen und Bürger im Internet verfügbar bleiben.
Wir werden uns zudem für eine Reduzierung kommerzieller Programmelemente in den öffentlich-rechtlichen Programmen engagieren.
Wir meinen, dass das nötig ist, um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei den Gebühren- bzw. Beitragszahlern zu erhöhen und das Profil der öffentlich-rechtlichen Sender deutlicher von privaten Programmen abzuheben. Der Landtag selbst hat mit Beschluss vom 8. Dezember 2011 festgestellt, dass auf lange Sicht eine vollständige Werbefreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am besten geeignet sei, dessen besondere Stellung zu unterstreichen.
III.
Leitprojekt Medienkompetenz
Nordrhein-Westfalen zeichnet sich durch eine gewachsene und vielfältige Medienkompetenzlandschaft aus. Bereits heute gibt es eine große Bandbreite regionaler und überregionaler Projekte, Angebote und Initiativen zur Stärkung von Medienkompetenz. Diese Vielfalt wird sich am 26. November bei dem Tag der Medienkompetenzzeigen, den Landtag und Landesregierung gemeinsam ausrichten. Ich möchte an dieser Stelle nicht näher auf den Tag der Medienkompetenz eingehen, da wir einen eigenen Tagesordnungspunkt hierzu haben. Aber schon an dieser Stelle: Vielen Dank an Sie alle für die gute Zusammenarbeit!
Die Einrichtungen und Institutionen, die sich auch um Medienkompetenz verdient machen, reichen
· vom Grimme-Institut,
· über die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) bis hin zum Verein
ComputerProjekt (Köln),
· und nicht zu vergessen die Landesanstalt für Medien (LfM), die schon heute den gesetzlichen Auftrag hat, Medienkompetenz zu fördern.
Wir haben uns für diese Legislaturperiode vorgenommen hier neue Akzente mit der LfM zusetzen. Dezentrale Förderung, gebündelte Strukturen – das ist unser Ziel für die Zukunft!
Wir haben in der zurückliegenden Legislaturperiode gemeinsam mit Schul- und Jugendministerium, mit LfM und Medienberatung die Initiative Medienpass NRW gestartet – und ich bin froh, Ihnen heute eine erste Erfolgsbilanz vorlegen zu können:
Seit Ende August steht der Medienpass allen Grundschulen in NRW zur Verfügung. Heute, vier Wochen später, lernen in Nordrhein-Westfalen mehr als 3.000 Grundschulklassen mit dem Medienpass. Rund 20 Prozent aller Grundschulen in unserem Land nehmen an dieser freiwilligen Initiative teil. In Bielefeld, unserem Spitzenreiter im Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte, erreichen wir fast 60 Prozent aller Grundschulen.
Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen. Aber ich glaube, diese Zahlen beweisen, wie notwendig die Initiative war und ist. Sie zeigen auch, dass es richtig ist, auf ein freiwilliges und praxisnahes Anreizsystem für Lehrerinnen und Lehrer zu setzen.
In dieser Legislaturperiode werden wir weiter an dem Medienpass NRW arbeiten. Derzeit konzentriert sich das Angebot noch auf die 3. und 4. Grundschulklasse. Das werden wir Schritt für Schritt ausweiten:
Ab 2013 soll der Medienpass NRW in der 5. und 6. Klasse starten, ab 2014 in der 7. bis 10. Klasse. Wir wollen ein Angebot, das allen Kindern in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung steht. Wir wollen Chancen für jedes Kind. Kein Kind zurücklassen – diese Maxime unserer Ministerpräsidentin gilt ganz besonders auch im Bereich Medienkompetenz!
IV.
Leitprojekt Digitales Medienland NRW
Kein anderes Bundesland vereint mehr Medienunternehmen mit mehr Beschäftigten über die gesamte Bandbreite aller Mediengattungen hinweg als Nordrhein-Westfalen – in den Bereichen der Hochtechnologie genauso wie im Hinblick auf kreative Milieus.
Von 5,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in NRW sind gut 366.000 Beschäftigte in der Medien- und Kommunikationsbranche tätig. Das entspricht einem Anteil von 6,3 Prozent.
Die Branche erzielt in unserem Land einen Jahresumsatz von mehr als 120 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anteil von 30 Prozent aller Umsätze dieser Branchen deutschlandweit. Auch nach Umsätzen ist NRW damit klar der Spitzenreiter in Deutschland. Die soeben erschiene FORMATT-Studie hat dies wieder eindeutig belegt.
Alle diese Zahlen zeigen: Die Medien sind ein wichtiger Leistungsträger und Jobmotor der heimischen Wirtschaft.
Wir alle, der Landtag, die Parteien und die Landesregierung, wir tragen Verantwortung dafür, dass unser Land seine Spitzenposition im Medienbereich halten und weiter ausbauen kann.
Die Landesregierung hat mit der Weiterentwicklung der Filmstiftung zur Film- und Medienstiftung in der zurückliegenden Legislaturperiode den Grundstein für eine zukunftsorientierte Förderstrategie gelegt.
Unser Credo lautet: Für uns ist die Film- und Medienstiftung die zentrale Institution zur Stärkung des Medienstandorts NRW. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, der Geschäftsführerin Petra Müller und ihrem gesamten Team für die engagierte und sehr erfolgreiche Arbeit zu danken.
Weitere Informationen zur Arbeit der Film- und Medienstiftung kann ich Ihnen bei Bedarf gern im Rahmen des nächsten Tagesordnungspunktes bei der Erläuterung des Medienkapitels im Haushalt 2012 geben. Es wäre sicherlich auch reizvoll, wenn der Ausschuss Frau Müller in einer seiner nächsten Sitzungen einmal einladen und um einen Bericht über aktuelle Projekte und Arbeitsschwerpunkte bitten könnte. Frau Müller ist dazu sehr gern bereit.
Wir wollen mit den Förderinitiativen von Land und Film- und Medienstiftung auch künftig gezielt in die Zukunft des Medienstandortes NRW investieren. Konkret haben wir uns zusammen mit der Film- und Medienstiftung NRW vorgenommen, in dieser Legislaturperiode die Initiative „Digitales Medienland NRW“ weiter zu entwickeln.
Wir werden hier in zwei Schritten vorgehen.
Schritt 1: Bis Ende 2014 werden bis zu zehn Millionen Euro aus dem NRW-EU Ziel 2-Programm für drei Schwerpunktmaßnahmen bereitstellen:
· Unternehmensbezogene Innovationsförderung
· Standortentwicklung und Standortmarketing sowie
· Kinodigitalisierung
Was mich besonders freut: Aller Voraussicht nach wird es durch unser Programm zur Kinodigitalisierung nicht nur gelingen, bestehende kleine und mittlere Filmtheaterbetriebe fit für die Zukunft zu machen. Sondern es zeichnet sich ab, dass wir auch im ein oder anderen Fall ehemalige Kinostandorte gerade im ländlichen Raum wieder neu beleben können.
Den zweiten Schritt werden wir ab 2014 in der kommenden Förderperiode der EU-Strukturfonds (v.a. EFRE 2014-2020) gehen.
Ich werde mich dafür einsetzen, dass bei der Ausgestaltung des NRW-EU Ziel 2-Programms 2014-2020 die digitalen Wachstumschancen für die NRW-Wirtschaft angemessen berücksichtigt werden.
V.
Leitprojekt Stiftung Vielfalt und Partizipation
Unstreitig ist: Regionale und lokale Berichterstattung stehen für eine lebendige Demokratie vor Ort. Sie stellen Öffentlichkeit her, stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl und erklären Politik ganz konkret. Wegen dieser großen Relevanz für unser demokratisches Gemeinwesen darf die Politik die Medienschaffenden mit den Herausforderungen des digitalen Umbruchs nicht alleine lassen.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat deswegen bereits 2011 auf dem Medienforum Maßnahmen zur Unterstützung des Lokaljournalismus angekündigt. Seither haben wir eine Initiative an der Universität Dortmund gefördert, die Weiterbildungsseminare für Journalistinnen und Journalisten durchführt und neue Weiterbildungsformen wie Inhouse-Schulungen erprobt. Zudem haben wir ein Gutachten zur Situation des Lokaljournalismus in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse Handlungsbedarf attestieren.
Die Erfahrungen, die wir in dieser ersten Pilotphase gesammelt haben und die Ergebnisse des Gutachtens, haben dazu geführt, dass wir uns in der Koalition auf die Gründung einer „Stiftung Vielfalt und Partizipation“ geeinigt haben.
Diese Stiftung soll sich der Vielfalts- und Journalismusstärkung widmen. Der Name der Stiftung ist bewusst gewählt: Partizipation und Vielfalt sind die notwendigen Vorraussetzungen für die Meinungs- und Willensbildung unserer Demokratie.
Bei der Stiftung sollen unterschiedliche Maßnahmen zur Unterstützung eines vielfältigen journalistischen Angebots gebündelt werden. Diese können von der Organisation flächendeckender und zielgruppenspezifischer Weiterbildungsangebote bis hin zur Vergabe von Recherchestipendien reichen. Neben der Stärkung der Vielfalt sollen auch partizipatorische Elemente gefördert werden. Die Stiftung soll also nicht nur Medienschaffende unterstützen, sondern auch für Mediennutzerinnen und -nutzer gezielt Angebote unterbreiten.
Dabei ist klar: Bei allen nun anstehenden konzeptionellen Überlegungen besitzt die staatsferne Organisation der Stiftung oberste Priorität.
VI.
Leitprojekt Fortentwicklung des Grimme-Instituts als Diskursforum für die digitale Gesellschaft.
Das Grimme-Institut steht mit dem Grimme-Fernseh-Preis und den Grimme-Online-Award für Qualität von Medieninhalten und liefert Orientierung für Mediennutzerinnen und Mediennutzer. Dem Grimme-Institut kommt in der digitalen Gesellschaft als Ort des Diskurses eine herausragende Bedeutung zu. Wir wollen das Institut in diesem Sinne weiterentwickeln,
Denn Grimme bringt alle Voraussetzungen mit, um auch im digitalen Zeitalter ein Kompetenzzentrum mit hoher Glaubwürdigkeit zu bleiben.
Ich sehe das Grimme-Institut als eine Schlüsselinstitution, die den Diskurs um Medieninhalte und Medienwerte in der digitalen Gesellschaft deutschlandweit prägen kann.
Denn hier haben wir zweifellos einen großen Bedarf: Bislang gibt es keine renommierte, unabhängige Einrichtung zur Untersuchung der Folgen der Digitalisierung für die Gesellschaft in Deutschland. Mit der Neuausrichtung soll das Grimme-Institut daher künftig auch die Folgen des Internets auf Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und von Institutionen untersuchen sowie die Qualität aller Medien (Rundfunk, Presse und Internet) in den Blick nehmen.
Die Landesregierung wird in Kürze im Kreise der Gesellschafter erste Ideen für eine strategische Neuausrichtung des Grimme-Instituts zur Diskussion stellen.
Ein auch zukünftig starkes und renommiertes Grimme-Institut ist, meine Damen und Herren Abgeordnete, ganz im Sinne unsere Medienlandes Nordrhein-Westfalen.
Soweit zu den Leitprojekten. Ich mich freue mich auf spannende, gewiss auch auf kontroverse Diskussionen mit Ihnen.
Zugleich bin ich überzeugt, dass wir wichtige Impulse für Vielfalt und Partizipation geben können.
Herzlichen Dank