Landesregierung bringt Entschließungsantrag zu Fracking in den Bundesrat / NRW will breites Bündnis gegen Einsatz von umwelttoxischen Substanzen bei der umstrittenen Fördermethode erreichen

5. Dezember 2012
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Die nordrhein-westfälische Landesregierung will ein bundesweites Ver­bot des Einsatzes umwelttoxischer Chemikalien bei der Anwendung der umstrittenen Fördermethode „Fracking“ zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten.

Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen

Die Landesregierung teilt mit:

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will ein bundesweites Ver­bot des Einsatzes umwelttoxischer Chemikalien bei der Anwendung der umstrittenen Fördermethode „Fracking“ zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten.

„Der Schutz der Menschen und der Umwelt hat für die Landesregierung oberste Priorität. Daher suchen wir im Bundesrat jetzt eine breite Alli­anz, um eine bundeseinheitliche Regelung zu erreichen“, erklärten die zuständigen Minister Johannes Remmel (Umwelt) und Garrelt Duin (Wirtschaft). Die Landesregierung wird daher einen entsprechenden Entschließungsantrag für die nächste Sitzung des Bundesrats am 14. Dezember einbringen. Einen entsprechenden Beschluss hat das Kabi­nett gefasst. Wirtschaftsminister Duin: „Viele Menschen sind in Sorge über die Umweltauswirkungen des Frackings. Weil dabei Chemikalien zum Einsatz kommen sollen, die wir in ihren Auswirkungen noch gar nicht kennen. Diese Sorge teile ich. Deshalb kommt die Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten unter Ein­satz giftiger Chemikalien für die Landesregierung nicht in Frage.“ Um­weltminister Remmel: „Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel, das wir besitzen. Das ist ein Schatz, den wir auch für künftige Generationen bewahren müssen. Wir dürfen es daher nicht leichtfertig aufs Spiel set­zen, weil wir Technologien einsetzen, deren Folgen und Wirkungen über lange Zeiträume derzeit nicht geklärt sind.“

Konkret umfasst der Entschließungsantrag folgende Punkte:

1.   Der Bundesrat lehnt den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Ge­winnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten ab, solange die Risi­ken nicht geklärt sind.

2.   Der Bundesrat stellt fest, dass

  • der Einsatz umwelttoxischer Chemikalien bei Anwendung der Fra­cking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung von Erd­gas aus unkonventionellen Lagerstätten erhebliche Risiken bein­haltet;
  • der Einsatz von Fracking-Technologien mit umwelttoxischen Che­mikalien in Trinkwasserschutzgebieten, Gebieten für die Gewin­nung von Trinkwasser oder Mineralwasser, Heilquellenschutzge­bieten sowie in Gebieten mit ungünstigen geologisch-hydrogeo­logischen Verhältnissen auszuschließen ist;
  • auf Grund der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage es nicht verantwortbar ist, zu diesem Zeitpunkt Vorhaben zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mit dem Einsatz der Fracking-Technologie mit umwelttoxischen Chemikalien zu genehmigen;
  • über Anträge auf Genehmigung von Fracking-Maßnahmen mit umwelttoxischen Chemikalien zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten erst dann ent­schieden werden kann, wenn die nötige Datengrundlage zur Be­wertung vorhanden ist und zweifelsfrei geklärt ist, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu be­sorgen ist (Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes), wobei die im Auftrag des Bundes und des Landes NRW erstellten Gutachten zu dem Ergebnis kommen, dass diese Voraussetzun­gen z. Zt. nicht vorliegen;
  • die Entsorgung des Flowback aus Frack-Vorgängen mit Einsatz umwelttoxischer Chemikalien in Versenkbohrungen (Dispo­salbohrungen) wegen fehlender Erkenntnisse über die damit ver­bundenen Risiken derzeit nicht verantwortbar ist.


3.   Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, dass - sowohl auf Län­der- als auch auf Bundesebene - unter Einbeziehung der Wissen­schaft in einem gemeinsamen Prozess mit den Unternehmen über­legt wird, welche konkreten Erkenntnisse die Erkundungen letztlich liefern müssen, um die Informations- und Wissensdefizite zu besei­tigen und eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen. Dies soll in einem transparenten und breiten Prozess erfolgen. Im Dialog mit allen Beteiligten (Unternehmen, Behörden, Wissenschaft und den an der Thematik interessierten Bürgerinnen und Bürger) sollen unter Fe­derführung der Wissenschaft Forschungsbohrungen ohne Fracking erörtert werden.

4.   Der Bundesrat bittet die Bundesregierung gemeinsam mit den Län­dern, folgende Maßnahmen umzusetzen:

  • Die vorhandenen Gutachten werden systematisch in einem ge­meinsamen Prozess ausgewertet.
  • Die für das Fracking einzusetzenden Stoffe werden systematisiert und hinsichtlich ihres Umweltverhaltens und ihrer Auswirkungen insbesondere auf die Wasserqualität bewertet (Datenbank).


5.   Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit bei der Zulassung von Maß­nahmen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkon­ventionellen Lagerstätten mittels Fracking eine obligatorische Um­weltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung vorzuse­hen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, kurzfristig eine Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vorzulegen.

NRW hatte Anfang September als erstes Bundesland eine umfassende Risikostudie zum Einsatz der Fracking-Technologie mit umwelttoxischen Chemikalien und deren Folgen für Mensch und Umwelt vorgelegt. Die Landesregierung wird als Konsequenz aus dem Gutachten vorerst keine Genehmigungen für Erkundung und Gewinnung von Erdgas aus unkon­ventionellen Lagerstätten unter Einsatz von umwelttoxischen Chemika­lien erteilen. Sie folgt damit den Empfehlungen der Gutachter.

Die Gutachter empfahlen außerdem, dass wegen der derzeit unsicheren Datenlage und der nicht auszuschließenden Umweltrisiken aus wasser­wirtschaftlicher Sicht, Fracking-Aktivitäten unter Einsatz umwelttoxischer Chemikalien in Wasserschutzgebieten, Wassergewinnungsgebieten der öffentlichen Trinkwasserversorgung, in Heilquellenschutzgebieten sowie im Bereich von Mineralwasservorkommen nicht zuzulassen und die ge­nannten Gebiete für diese Zwecke auszuschließen. Es soll aber der Versuch gestartet werden, gemeinsam mit Unternehmen, anderen Be­teiligten  und unter Federführung der Wissenschaft zu überlegen, wel­che konkreten Erkenntnisse die Erkundungen letztlich liefern müssen, um die Informations- und Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausrei­chende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen.

Die NRW-Landesregierung hatte darüber hinaus im Sommer 2011 be­reits einen Antrag im Bundesrat zur „Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben“ eingebracht. Ziel ist es, die Überprüfung der Umweltverträglichkeit bei der Gewin­nung von Bodenschätzen über Bohrungen auszuweiten. Duin: „Die gel­tende Regelung reicht nicht aus, um die spezifischen Umweltauswirkun­gen von Frackingvorhaben unter Einsatz umwelttoxischer Chemikalien zu beurteilen. Mit einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung erhöhen wir die Transparenz und kommen bei der Beteiligung der Öf­fentlichkeit einen entscheidenden Schritt voran."

Beide NRW-Minister forderten CDU/CSU und FDP erneut auf, ihre Blo­ckadehaltung gegenüber einer verpflichtenden Umweltverträglichkeits­prüfung im Bundesrat aufzugeben.

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Telefon 0211 4566-294 (Frank Seidlitz) oder an die Pressestelle des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, Telefon 0211 837-2462.

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