Landesregierung bringt Entschließungsantrag zu Fracking in den Bundesrat / NRW will breites Bündnis gegen Einsatz von umwelttoxischen Substanzen bei der umstrittenen Fördermethode erreichen
Die nordrhein-westfälische Landesregierung will ein bundesweites Verbot des Einsatzes umwelttoxischer Chemikalien bei der Anwendung der umstrittenen Fördermethode „Fracking“ zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten.
Die Landesregierung teilt mit:
Die nordrhein-westfälische Landesregierung will ein bundesweites Verbot des Einsatzes umwelttoxischer Chemikalien bei der Anwendung der umstrittenen Fördermethode „Fracking“ zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten.
„Der Schutz der Menschen und der Umwelt hat für die Landesregierung oberste Priorität. Daher suchen wir im Bundesrat jetzt eine breite Allianz, um eine bundeseinheitliche Regelung zu erreichen“, erklärten die zuständigen Minister Johannes Remmel (Umwelt) und Garrelt Duin (Wirtschaft). Die Landesregierung wird daher einen entsprechenden Entschließungsantrag für die nächste Sitzung des Bundesrats am 14. Dezember einbringen. Einen entsprechenden Beschluss hat das Kabinett gefasst. Wirtschaftsminister Duin: „Viele Menschen sind in Sorge über die Umweltauswirkungen des Frackings. Weil dabei Chemikalien zum Einsatz kommen sollen, die wir in ihren Auswirkungen noch gar nicht kennen. Diese Sorge teile ich. Deshalb kommt die Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten unter Einsatz giftiger Chemikalien für die Landesregierung nicht in Frage.“ Umweltminister Remmel: „Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel, das wir besitzen. Das ist ein Schatz, den wir auch für künftige Generationen bewahren müssen. Wir dürfen es daher nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, weil wir Technologien einsetzen, deren Folgen und Wirkungen über lange Zeiträume derzeit nicht geklärt sind.“
Konkret umfasst der Entschließungsantrag folgende Punkte:
1. Der Bundesrat lehnt den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten ab, solange die Risiken nicht geklärt sind.
2. Der Bundesrat stellt fest, dass
- der Einsatz umwelttoxischer Chemikalien bei Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten erhebliche Risiken beinhaltet;
- der Einsatz von Fracking-Technologien mit umwelttoxischen Chemikalien in Trinkwasserschutzgebieten, Gebieten für die Gewinnung von Trinkwasser oder Mineralwasser, Heilquellenschutzgebieten sowie in Gebieten mit ungünstigen geologisch-hydrogeologischen Verhältnissen auszuschließen ist;
- auf Grund der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage es nicht verantwortbar ist, zu diesem Zeitpunkt Vorhaben zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mit dem Einsatz der Fracking-Technologie mit umwelttoxischen Chemikalien zu genehmigen;
- über Anträge auf Genehmigung von Fracking-Maßnahmen mit umwelttoxischen Chemikalien zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten erst dann entschieden werden kann, wenn die nötige Datengrundlage zur Bewertung vorhanden ist und zweifelsfrei geklärt ist, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist (Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes), wobei die im Auftrag des Bundes und des Landes NRW erstellten Gutachten zu dem Ergebnis kommen, dass diese Voraussetzungen z. Zt. nicht vorliegen;
- die Entsorgung des Flowback aus Frack-Vorgängen mit Einsatz umwelttoxischer Chemikalien in Versenkbohrungen (Disposalbohrungen) wegen fehlender Erkenntnisse über die damit verbundenen Risiken derzeit nicht verantwortbar ist.
3. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, dass - sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene - unter Einbeziehung der Wissenschaft in einem gemeinsamen Prozess mit den Unternehmen überlegt wird, welche konkreten Erkenntnisse die Erkundungen letztlich liefern müssen, um die Informations- und Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen. Dies soll in einem transparenten und breiten Prozess erfolgen. Im Dialog mit allen Beteiligten (Unternehmen, Behörden, Wissenschaft und den an der Thematik interessierten Bürgerinnen und Bürger) sollen unter Federführung der Wissenschaft Forschungsbohrungen ohne Fracking erörtert werden.
4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern, folgende Maßnahmen umzusetzen:
- Die vorhandenen Gutachten werden systematisch in einem gemeinsamen Prozess ausgewertet.
- Die für das Fracking einzusetzenden Stoffe werden systematisiert und hinsichtlich ihres Umweltverhaltens und ihrer Auswirkungen insbesondere auf die Wasserqualität bewertet (Datenbank).
5. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit bei der Zulassung von Maßnahmen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mittels Fracking eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung vorzusehen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, kurzfristig eine Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vorzulegen.
NRW hatte Anfang September als erstes Bundesland eine umfassende Risikostudie zum Einsatz der Fracking-Technologie mit umwelttoxischen Chemikalien und deren Folgen für Mensch und Umwelt vorgelegt. Die Landesregierung wird als Konsequenz aus dem Gutachten vorerst keine Genehmigungen für Erkundung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten unter Einsatz von umwelttoxischen Chemikalien erteilen. Sie folgt damit den Empfehlungen der Gutachter.
Die Gutachter empfahlen außerdem, dass wegen der derzeit unsicheren Datenlage und der nicht auszuschließenden Umweltrisiken aus wasserwirtschaftlicher Sicht, Fracking-Aktivitäten unter Einsatz umwelttoxischer Chemikalien in Wasserschutzgebieten, Wassergewinnungsgebieten der öffentlichen Trinkwasserversorgung, in Heilquellenschutzgebieten sowie im Bereich von Mineralwasservorkommen nicht zuzulassen und die genannten Gebiete für diese Zwecke auszuschließen. Es soll aber der Versuch gestartet werden, gemeinsam mit Unternehmen, anderen Beteiligten und unter Federführung der Wissenschaft zu überlegen, welche konkreten Erkenntnisse die Erkundungen letztlich liefern müssen, um die Informations- und Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen.
Die NRW-Landesregierung hatte darüber hinaus im Sommer 2011 bereits einen Antrag im Bundesrat zur „Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben“ eingebracht. Ziel ist es, die Überprüfung der Umweltverträglichkeit bei der Gewinnung von Bodenschätzen über Bohrungen auszuweiten. Duin: „Die geltende Regelung reicht nicht aus, um die spezifischen Umweltauswirkungen von Frackingvorhaben unter Einsatz umwelttoxischer Chemikalien zu beurteilen. Mit einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung erhöhen wir die Transparenz und kommen bei der Beteiligung der Öffentlichkeit einen entscheidenden Schritt voran."
Beide NRW-Minister forderten CDU/CSU und FDP erneut auf, ihre Blockadehaltung gegenüber einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung im Bundesrat aufzugeben.
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