„Die künftige Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer: Wohin geht der Weg?“
Es ist nicht gerade ein neues Thema, über das wir heute Abend diskutieren wollen, und dennoch ist es politisch von höchster Aktualität und Brisanz. Die EU-weite Finanztransaktionssteuer, im Herbst 2011 von der Kommission vorgeschlagen, auf der Ebene der 27 Mitgliedstaaten unter anderem angesichts des Einstimmigkeitserfordernisses gescheitert, im kleineren Rahmen aber doch aktuell, ist ein Dauerbrenner in der politischen Diskussion.
Begrüßungsrede für Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren am 06.09.2012 in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union in Brüssel
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, liebe Frau Podimata,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Europäischen Parlaments,
sehr geehrter Frau Hofmann,
sehr geehrter Herr Janssen,
sehr geehrter Herr Dr. Kuttin,
sehr geehrter Herr Dr. Bergmann,
sehr geehrter Herr Dr. Altvater,
liebe Jutta, liebe Gäste,und
last but not least, lieber Herr Krause,
es ist nicht gerade ein neues Thema, über das wir heute Abend diskutieren wollen, und dennoch ist es politisch von höchster Aktualität und Brisanz. Die EU-weite Finanztransaktionssteuer, im Herbst 2011 von der Kommission vorgeschlagen, auf der Ebene der 27 Mitgliedstaaten unter anderem angesichts des Einstimmigkeitserfordernisses gescheitert, im kleineren Rahmen aber doch aktuell, ist ein Dauerbrenner in der politischen Diskussion.
In Deutschland sind sich Bund und Länder einig über die Zielsetzung der Finanztransaktionssteuer. Der Bundesrat hat ausdrücklich begrüßt, dass der Finanzsektor, der bei der Auslösung der Finanz- und Wirtschaftskrise eine wesentliche Rolle gespielt hat, an den Kosten der Bewältigung der Krise beteiligt werden soll. Um nicht missverstanden zu werden: Wenn wir heute über die Krise in der Eurozone reden, dann ist der Finanzsektor nicht in der alleinigen Verantwortung. Aber er hat durch spekulative Verhaltensweisen wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Krisen sehr schnell zu einer dramatischen Bedrohung ganzer Volkswirtschaften und schließlich der Euro-Zone entwickeln konnten.
Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass die gegenwärtige Struktur der Besteuerung den Finanzsektor gegenüber der Realwirtschaft bevorzugt und zudem wachstumspolitisch falsche Anreize setzt. Schließlich kann eine Finanztransaktionssteuer dazu beitragen, die Finanzmärkte zu stabilisieren, indem ein gesamtwirtschaftlich unerwünschtes Verhalten der Akteure am Finanzmarkt eingedämmt wird (Hochgeschwindigkeitstrading).
Ich sagte bewusst: Eine Finanztransaktionssteuer kann dazu beitragen. Andere flankierende Maßnahmen sind ebenso notwendig und sind ja zum Teil auch schon eingeführt worden. Ich denke an die Verordnung über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps. Jedoch nur im Zusammenwirken aller Instrumente kann es gelingen, die Finanzmärkte zu regulieren, denn Selbstregulierung funktioniert nicht.
Meine Damen und Herren,
wir sollten auch eines nicht unterschätzen: Die Bürgerinnen und Bürger im Land sind es Leid, dass sich Finanzinstitute aus ihrer Verantwortung stehlen können, während den öffentliche Haushalten – und damit dem Steuerzahler – die Risiken der Bewältigung der Finanzkrise auferlegt werden.
Das ist nicht mehr zu vermitteln, und es ist letztlich auch eine Frage der Gerechtigkeit. Wenn Finanzjongleure sich gerne auf hochriskante Spekulationen mit großen Gewinnmargen einlassen, im Falle eines drohenden Verlustes ihrer Finanzmittel aber nach einem staatlichen „Bail out“ rufen, dann stimmen die Verantwortlichkeiten nicht mehr, dann werden Gewinne eingestrichen, Verluste aber gerne an Dritte weitergereicht. Es ist kein Modell, das die nordrhein-westfälische Landesregierung mittragen möchte. Und ich bin mir sicher, dass diese Einstellung in Deutschland und auch anderswo in Europa geteilt wird.
An dieser Stelle sei das Europäische Parlament genannt, das sich mit überwältigender Mehrheit für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ausgesprochen hat, übrigens auch für den Fall, dass die Einführung auf der Ebene der EU 27 im Rat keine Mehrheit finden würde. Außerdem unterstützt das Europäische Parlament die Europäische Kommission unter anderem in der Frage des Anknüpfungspunktes der Steuer, dem sogenannten „Ansässigkeitsprinzip“ (Besteuerung nach dem Sitzland der Transaktionsparteien), eine Vorstellung, die der Bundesrat ebenfalls teilt. Dabei muss übrigens ein gleichmäßiger Steuervollzug auch im Verhältnis zu in der EU nichtansässigen Finanzinstituten sichergestellt werden.
Meine Damen und Herren,
jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, an dem es schwierig wird. Denn wie bei vielen anderen Fragen, die zurzeit auf der politischen Ebene diskutiert werden, steckt der Teufel im Detail. Einige Mitgliedstaaten haben bereits so etwas wie eine Besteuerung von Finanztransaktionen eingeführt, andere planen es. Die Modelle sind höchst unterschiedlich, die britische „Stempelsteuer“ zum Beispiel, die aus dem 17. Jahrhundert stammt, besteuert den Handel mit Aktien inländischer Gesellschaften an der Londoner Börse. Belgien und Irland haben eigene Modelle entwickelt, in Frankreich wurde eine solche Steuer gerade erst eingeführt.
Allen diesen Modellen ist allerdings eines gemeinsam: Sie lassen sich nicht einfach durch andere Staaten „übernehmen“. Eine gemeinsame Lösung müsste zunächst die technischen Probleme aus der Welt schaffen, grundsätzliche und unüberwindbare Probleme sehe ich aber nicht. Mit dem Vorschlag der Kommission, die Steuer auf alle Transaktionen mit Finanzinstrumenten zu erheben, wenn mindestens ein Teilnehmer der Transaktion in der EU ansässig ist, dürfte es nicht mehr zu Abwanderungen von Banken aus der EU und zu Wettbewerbsverzerrungen für europäische Finanzinstitute kommen.
Meine Damen und Herren,
für viele ist der Euro-Rettungsschirm mit seiner Erweiterung und Hebelung zunächst eine Art von Notfallmaßnahme, um die aktuell schwelende Krise in den Griff zu bekommen. Wir müssen uns aber auch fragen, wie es überhaupt zu dieser Krise kommen konnte. Die Überschuldung der Staaten ist nicht der einzige Grund. Und ein strikter Austeritätskurs kann alleine die Probleme nicht lösen. Es scheint der Wille zu fehlen, die Krise als gemeinsames Problem anzugehen und zu lösen.
Wenn wir uns einig sind, dass wir grundsätzlich gemeinsame strukturelle Maßnahmen brauchen, um in Zukunft solche Krisen zu vermeiden und um eine verbesserte und kontrollierbare Struktur der Finanzmärkte zu erhalten, dann ist eine Finanztransaktionssteuer ein wichtiger Meilenstein. Sie wird kein Allheilmittel gegen alle spekulativen Finanzgeschäfte sein, aber sie kann dazu beitragen, die Aufgeregtheiten des Finanzsektors einzudämmen. Und was ich für besonders wichtig halte: Die bisherige steuerliche Privilegierung von Finanztransaktionen hat ein Ende. Hier sollen in Zukunft Steuern erhoben werden, die eben nicht jeder Bürger und jede Bürgerin zahlen muss. Die Finanztransaktionssteuer ist ein zielgerichtetes Instrument, das dort ansetzt, wo Aktien und Anleihen gehandelt werden. Sie bietet gute Ansätze, um den Zusammenhang zwischen der Realwirtschaft und den Finanzmärkten wieder zu stärken. Und sie gibt den Finanzmärkten die Möglichkeit, ihre Verantwortung zu dokumentieren und ihren Beitrag zur Finanzierung der Solidargemeinschaft zu leisten, die für die Finanzierung der staatlichen Rettungsschirme einsteht.
Meine Damen und Herren,
an dieser Stelle steigen wir in die Erörterung darüber ein, wie die Finanztransaktionssteuer im Detail ausgestaltet werden soll.
Ich freue mich, dass wir heute Abend ausgewiesene Fachleute für das Podium gewinnen konnten, die uns mit Sicherheit weiterführende Erkenntnisse vermitteln können und ich erhoffe mir, dass wir dadurch einen Beitrag für mehr Klarheit in der politischen Diskussion leisten können. Ich freue mich mit Ihnen auf eine anregende und weiterführende Debatte!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!